Asien

Russische Kampfjets werden die Spielregeln im Nahen Osten verändern

Experten erklären, warum Iran Su-35-Kampfflugzeuge benötigt und welche Folgen das für Russland, die USA und andere Regionen der Welt hat.
Russische Kampfjets werden die Spielregeln im Nahen Osten verändernQuelle: AFP © Maxime Popov

Von Rafael Fahrutdinov

Eine sensationelle Nachricht wurde von offiziellen Quellen im Iran verkündet – angeblich hat sich Moskau bereit erklärt, Su-35-Kampfjets an Teheran zu verkaufen. Stimmt diese Information, so wird der militärisch-industrielle Komplex Russlands einen Haufen Geld machen, Iran bekäme ein mächtiges Werkzeug, um Israel zu konfrontieren, und der amerikanische Einfluss im Nahen Osten würde schwinden.

Iran habe ein Geschäft über den Kauf von Su-35-Kampfjets mit Russland abgeschlossen, so die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA mit Verweis auf die Ständige Vertretung Irans bei der UNO. Über die Anzahl der Flugzeuge und den Zeitpunkt der Lieferung wurden keine Angaben gemacht.

"Nach der Beendigung des iranisch-irakischen Krieges im Jahr 1988 bat Iran eine Reihe von Ländern, die Möglichkeit des Verkaufs von Kampfflugzeugen zu prüfen, und Russland erklärte sich bereit, diese zu verkaufen", berichtete die Vertretung. Die Mission fügte hinzu, dass "die Kampfflugzeuge von Iran technisch genehmigt sind. Nach Oktober 2020, als mit der Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrates das Verkaufsverbot für konventionelle Waffen an Iran aufgehoben wurde, beschloss Teheran schließlich, sie zu kaufen".

Wenige Tage zuvor habe Pentagon-Chef Lloyd Austin auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Verteidigungsminister Yoav Galant seine Besorgnis über Irans "wachsende strategische Partnerschaft mit Russland" und insbesondere den Verkauf iranischer Drohnen an Moskau geäußert, heißt es in einer Erklärung des US-Verteidigungsministeriums.

"Im vergangenen Jahr hat sich die militärische Zusammenarbeit Russlands mit Iran vertieft und stellt ein ernstes Problem für die Region und die Sicherheit Ihrer Bürger dar. Iran erwirbt in der Ukraine wichtige Kampferfahrungen, die letztlich auch seinen gefährlichen Marionetten im Nahen Osten zugutekommen werden", fügte er hinzu. "Im Gegenzug für die Unterstützung bietet Russland Iran eine beispiellose Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich an, unter anderem in den Bereichen Raketen und Luftabwehr", so Lloyd.

Die Biden-Administration bezeichnet die engen Beziehungen zwischen Moskau und Teheran als "schädlich" und behauptet, dass die Iraner bereits an den neuen Flugzeugen ausgebildet würden. Der Vertreter des Weißen Hauses, John Kirby, wies darauf hin, dass "diese Kampfjets die iranische Luftwaffe im Vergleich zu seinen Nachbarn in der Region erheblich stärken werden".

Im Februar präsentierte Iran einen neuen unterirdischen Luftwaffenstützpunkt namens Eagle 44, worüber die New York Times berichtet hatte. Er befindet sich an einem Berghang 160 Kilometer nördlich der Straße von Hormus.

Die Satellitenbilder des Stützpunkts wurden von Chris Biggers untersucht, einem ehemaligen Analysten der US-Regierung für Bildmaterial und Senior Director of Mission Applications bei der HawkEye 360 Mission, einem Unternehmen, das Hochfrequenzemissionen auf der ganzen Welt aufspürt. In seiner Analyse wies Biggers auf zwei Attrappen von Kampfflugzeugen hin, wobei eine davon die gleiche Größe wie die Su-35 hat. Es befindet sich auf einem Platz, an dem Bauarbeiten stattfinden. "Möglicherweise dienen sie dazu, das Manövrieren von Flugzeugen in dem unterirdischen Komplex zu testen, und sie könnten darauf hindeuten, dass die Su-35 genau hier stationiert werden sollen", so der US-Experte.

Shahriar Heidari, Mitglied der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik des Islamischen Konsultativrats, sagte in diesem Jahr, dass die Su-35 aus Russland Anfang 2024 im Iran eintreffen werden, wie die Nachrichtenagentur Tasnim berichtete. "Wir haben in Russland Verteidigungssysteme, Raketen und Hubschrauber bestellt, und der Großteil dieser Waffen wird bald im Lande eintreffen", fügte er hinzu.

Der Kommandeur der iranischen Luftwaffe, Hamid Vahedi, betonte, dass Teheran neben der Su-35 auch den Kauf von Su-30-Kampfflugzeugen plane.

Die Su-35 haben sich bei der Anti-Terror-Operation der Luftstreitkräfte in Syrien bewährt. Daneben lobte der Präsident Wladimir Putin die Leistungen der russischen Luftstreitkräfte bei der Spezialoperation in der Ukraine. "Die Kampfflugzeuge kämpfen hervorragend, aber auch die "Suchoi" – Su-34, Su-35 – sind hervorragend. Gute Bewaffnung. (…) Sie tragen wesentlich zur Effektivität der Truppen bei", betonte das Staatsoberhaupt bei einem Treffen mit ausgezeichneten Helden Russlands im Kreml. Mit anderen Worten: Die Su-35 ist die Schönheit und der Stolz der russischen Rüstungsindustrie, eines der derzeit fortschrittlichsten Kampfflugzeuge weltweit.

US-Medienberichten zufolge hat die syrische Armee im Jahr 2017 gemeinsam mit dem libanesischen Militär und Hisbollah-Kämpfern die Gemeinde Arsal an der libanesisch-syrischen Grenze von Terroristen befreit. Dabei wurden die Einsatzkräfte von den Su-35 der russischen Luftstreitkräfte unterstützt. Auch dies sprach für den Kauf dieser Kampfflugzeuge durch Iran. Den Berichten war zu entnehmen, dass die Su-35 voraussichtlich zur Bewachung und Patrouille von wichtigen Objekten im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm eingesetzt werden sollen.

Bemerkenswert ist, dass sich russische Beamte noch nicht zu der iranischen Erklärung geäußert haben. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es nicht um eine Spekulation geht, sondern um eine reale Abmachung. In dem Fall, dass die Meldungen sich bestätigen lassen, wäre dies ein großer Erfolg für die Rüstungsindustrie Russlands und ein bedeutender Profit für die heimischen Hersteller von Militärflugzeugen.

Die Rede könnte von einem Geschäft im Wert von mehreren Milliarden Euro sein.

"Dieser Vertrag ist eine gute Voraussetzung für die weitere Absatzförderung russischer Militärgüter im Nahen Osten", meinte der Flugausbilder Major Andrei Krasnoperow. "Vor allem, wenn man davon ausgeht, dass mehrere Dutzend Flugzeugen geliefert werden sollen, und der Vertrag selbst weitere Käufe von Maschinen zulässt. Das bedeutet auch, dass Russland die iranischen Piloten ausbilden wird. Das sind langfristige Programme, bei denen die Kooperation zwischen den beiden Ländern vertieft wird", erklärte der Spezialist.

Das Magazin Military Watch schrieb, dass die Su-35 weitaus mehr feindliche Kampfflugzeuge abgeschossen hat als jedes andere Flugzeug seit dem Kalten Krieg. Zudem, so der Autor weiter, könne es die Su-35 mit modernen westlichen Spitzenjägern, der F-35A und der F-15SA, aufnehmen.

"Die Luftstreitkräfte des Irans werden mit dem Kauf der Su-35 einen erheblichen Zuwachs an Kampfkraft erhalten", bestätigte Krasnoperow. "Die Su-35 verfügt über gute Manövrierfähigkeit und Luftkampffähigkeiten. So gab es Fälle, in denen eine F-16 versucht hat, die Su-35 abzufangen, aber das russische Flugzeug war in der Lage, dem amerikanischen Jagdflugzeug ohne Probleme in den Rücken zu fallen", erinnerte er.

Experten weisen direkt auf den Gegner hin, dem die russischen Su-35-Flugzeuge im Iran gegenüberstehen werden.

"Der Iran ist noch nicht in der Lage, selbstständig Flugzeuge der Generation 4++ zu entwickeln, die – wie die Su-35 – die getarnten amerikanischen F-35 und F-22 "sehen" können. Deshalb ist der Kauf solcher fortschrittlichen Kampfflugzeuge aus Russland die richtige Entscheidung von Teheran. Außerdem kann ich annehmen, dass Teheran Raketen der Klassen Luft-Luft, Luft-Boden und Luft-Radar erwirbt", so Alexei Leonkow, Herausgeber der Zeitschrift Arsenal des Vaterlandes.

"Der Iran ist im Besitz der S-300 und Tor M1 SAM. Nun können sie ein integriertes Luftverteidigungssystem aufbauen, bei dem die Su-35 den Angreifer an der Front treffen wird. Zudem wird dieser Kampfjet als "Jäger" bezeichnet – wegen seiner Fähigkeit, die Luftüberlegenheit zu erlangen. Alles in allem verändert Teherans Vertrag mit Moskau das Gleichgewicht der Kräfte im Nahen Osten und wird zu einer ernsthaften Herausforderung für Israel", so der Gesprächspartner.

"Israel ist im Besitz von F-16 und F-35. Diese wurden erworben, um die Nachbarn im Nahen Osten an der 'kurzen Leine' zu halten, die einem Kampfflugzeug der fünften Generation nichts entgegenzusetzen haben. Und der Iran wird jetzt über die Su-35 verfügen, die weiter 'sieht' und dem US-Kampfflugzeug in der Manövrierfähigkeit überlegen ist", betonte der Analyst.

"Für die F-35 ist der Nahkampf tödlich, weil man das Flugzeug für die Konfrontation auf mittleren Distanzen konzipierte. Und sollten die gelieferten Su-35 mit lenkbaren Luft-Luft-Raketen großer Reichweite ausgestattet werden, so dürfen sie den amerikanischen Kampfflugzeugen in jeder Entfernung erfolgreich begegnen", fügte der Experte hinzu.

Diese Vereinbarung hat neben einer rein militärischen auch eine geopolitische Dimension. "Dieses Vorhaben zeigt, dass der Nahe Osten aufhört, unipolar zu sein. Das Erstarken der iranischen Luftwaffe wird in Saudi-Arabien eine gewisse 'Frustration' gegenüber seinen amerikanischen Partnern hervorrufen. Andererseits sind Riad und Teheran dabei, ihre Beziehungen in einem rasanten Tempo auszubauen. Man kann die Lieferung der Su-35 an Iran aus diesem Grund als eine der Etappen bei der Stärkung eines neuen Pols im Nahen Osten betrachten, der alternativ zum amerikanischen ist", sagt Rajab Safarov, Generaldirektor des Zentrums für das Studium des modernen Irans.

"Die Lieferung der Kampfjets an Teheran verdeutlicht den Rückgang des amerikanischen Einflusses sowohl in der Region als auch weltweit. Wir beobachten den Eintritt Chinas und Russlands in den Nahen Osten. Die Vereinigten Staaten und ihre israelischen Kollegen werden sich an der Grenze zu Iran nicht mehr so anstößig verhalten können wie bisher und sie werden ihre Politik auch im Jemen sehr viel umsichtiger gestalten", resümierte der Gesprächspartner.

Übersetzt aus dem Russischen, zuerst erschienen bei Wsgljad.

Mehr zum Thema - Iran bringt Kauf von russischen Su-35-Kampfjets unter Dach und Fach

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.