International

Transport des Getreides über die Krim: Wie die Bauern von Cherson mit Russland handeln

Die Region Cherson ist durch Landwirtschaft geprägt: Allein 2,5 Mio. Tonnen Getreide werden hier pro Jahr angebaut. Kirill Stremousow, stellvertretender Leiter der regionalen Staatsverwaltung von Cherson, erzählte RT in einem Interview, wie die Bauern von Cherson unter drohendem Beschuss von ukrainischer Seite mit der Ernte begonnen haben, welche Produkte sie nach Russland verkaufen wollen und was sie bei russischen Produzenten kaufen werden.
Transport des Getreides über die Krim: Wie die Bauern von Cherson mit Russland handelnQuelle: www.globallookpress.com © Martin Wagner via www.imago-images.de

von Jelisaweta Koroljowa

RT: Ende Mai begann die Region Cherson mit der Lieferung von Getreide nach Russland. Welche russischen Regionen kaufen Produkte bei den Bauern aus Cherson und welche Produkte sind gefragt?

Stremousow: Das Interesse ist in erster Linie bei den Vertretern der Republik Krim und der Region Krasnodar zu erkennen. Sie kaufen absatzweise ein, der Reife entsprechend. Die Käufer sind vor allem an Gerste und Weizen interessiert. Zudem führen wir Verhandlungen, um mit der Lieferung von Sonnenblumenkernen zur Produktion von Speiseöl nach Russland zu beginnen, von diesem Gut haben wir eine große Menge. Noch sind die Sonnenblumenkerne aber nicht gewachsen, so dass es keine Lieferungen gibt.

RT: Welche Erntemengen werden in diesem Jahr in der Region Cherson erwartet?

Stremousow: Wir sind noch nicht bereit, Vorhersagen zu machen, wie viel in dieser Saison geerntet werden wird. Ich kann nur sagen, dass die Region Cherson im Durchschnitt jährlich 2,5 Millionen Tonnen Getreide und etwa 2 Millionen Tonnen Obst und Beerenobst erntet. Das sind sehr große Volumen. Ein Teil der Ernte wird in der Region verbleiben, um die nächste Aussaat vorzunehmen und die Ernährungssicherheit in der Region selbst zu gewährleisten. Der Rest wird exportiert.

RT: Regelt nun die zivil-militärische Verwaltung die Preisgestaltung auf dem Markt oder sind es die Bauern, die die Preise mit den Käufern aushandeln?

Stremousow: 99 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in der Region sind im privaten Eigentum. Das heißt, die Bauern vertreiben ihre Erzeugnisse selbst über Handelsunternehmen. Daher ist der Markt für die Preisgestaltung aller Güter verantwortlich. Grob gesagt ist es so, wie von den Käufern und Verkäufern miteinander vereinbart.

Der Handel mit russischen Käufern wird in Rubel abgewickelt. Die Behörden der Region Cherson mischen sich da noch nicht ein.

RT: Im Juni tauchte in den sozialen Medien ein Video einer Frau auf, die sich als Landwirtin aus der Region Cherson vorstellte. Das Video zeigt, wie sie Kisten mit frischem Kohl auf einer Mülldeponie auf einem Feld entsorgt. Der Autorin des Videos zufolge waren sie und andere Bauern dazu gezwungen, die Waren loszuwerden, weil es unmöglich ist, sie zu verkaufen: Es gibt keine Großabnehmer aus der Ukraine mehr in der Region, und die Nachfrage aus Russland ist im Moment sehr gering. Ist es tatsächlich schwierig für die örtlichen Bauern, ihre Produkte aus einem Mangel an Nachfrage heraus zu verkaufen?

Stremousow: Manche Bauern haben solche Schwierigkeiten beim Verkauf, weil der Markt jetzt übersättigt ist. Doch die meisten Landwirte, die ihr Produkt verkaufen wollen, haben mit dem Absatz Erfolg. In einzelnen Fällen gelingt es nicht, einen Teil der Produkte zu verkaufen, insbesondere schnell verderbliche Produkte.

RT: Interessanterweise gab es im letzten Sommer ähnliche Videos in den sozialen Medien, in denen die Bauern behaupteten, sie seien gezwungen, Gurken und Kirschen wegzuwerfen, weil die Großhändler die Produkte nicht kaufen wollten. Worum ging es damals? Immerhin gab es im vergangenen Jahr keine militärischen Aktionen in der Region.

Stremousow: Ja, letztes Jahr waren die Absatzmärkte wegen der Pandemie geschlossen. Die Probleme mit dem Absatz und der Nachfrage treten regelmäßig auf. Die Bauern säen und bauen eine bestimmte Menge von Produkten an, die sie zu verkaufen gedenken, und erzielen dann einen geringeren Umsatz als erwartet.

RT: Ende Mai wurde bekannt, dass die ukrainischen Streitkräfte die einzige Ausfahrt aus dem Hafen von Cherson zum Schwarzen Meer vermint hatten. Dies verunmöglichte es, Getreide aus der Region auf dem üblichen Weg zu transportieren. Gibt es alternative Routen für Getreidelieferungen, die jetzt in Betrieb sind?

Stremousow: Es gibt die alternative Route über die Halbinsel Krim, wo das Getreide von Getreidespediteuren angeliefert wird. Andere Möglichkeiten gibt es zurzeit noch nicht.

RT: Ist Russland der einzige Abnehmer für die Region Cherson oder sind auch andere Länder daran interessiert, Produkte aus der Region zu erwerben?

Stremousow: Wir sind in Verhandlungen mit anderen Ländern, doch bisher kauft nur Russland die Erzeugnisse.

RT: Am 20. Juni begann in der Region die Erntesaison. Wie verläuft dieser Prozess nun? In den lokalen und sozialen Medien haben die Landwirte davon gesprochen, dass es keine Probleme mit Treib- und Schmierstoffen gäbe, dass aber ein Mangel an Mähdreschern besteht.

Stremousow: Soweit ich weiß, verhandeln die Bauern untereinander und mit ihren Nachbarn, auch mit denen aus Mariupol und Berdjansk, und mieten die Mähdrescher. Zumindest gab es keine Anfragen bei den regionalen Behörden, weil ihnen die Erntemaschinen fehlten.

RT: Was ist mit den Arbeitskräften? Schließlich haben die Menschen während aktiver Kampfhandlungen ihre Häuser und Höfe verlassen.

Stremousow: Viele Menschen kommen zurück. Sie sehen, dass sich die Lage in ihrer Heimatregion beruhigt und dass sich das Leben normalisiert. Es liegt auf der Hand, dass diejenigen Menschen, die es gewohnt sind, gut zu leben und zu arbeiten, nicht lange auf den Hilfeleistungen für Flüchtlinge sitzen bleiben werden. Deshalb kehren die Bewohner jetzt tatkräftig zur Arbeit zurück.

RT: Wie ist die Situation bei den Bauern an der Grenze zur Region Nikolajew (von Kiew kontrolliertes Territorium)? Dort herrscht doch weiterhin die Gefahr eines Beschusses durch die ukrainischen Streitkräfte.

Stremousow:Tatsächlich besteht die Gefahr, dass der Beschuss gerade dann stattfindet, wenn die Menschen auf die Felder gehen, um ihre Ernte einzufahren, und es hat bereits solche Vorfälle gegeben. Glücklicherweise wurde damals niemand getötet, es konnten sich alle rechtzeitig verstecken. Hier hängt alles von der persönlichen Entscheidung der Bauern ab, und einige gehen nicht zur Ernte hinaus, weil sie um ihr Leben fürchten.

RT: Wird die Region Cherson in diesem Jahr die Samen für die nächste Aussaat aus Russland beziehen?

Stremousow: Wir haben jedes Jahr Saatgut von russischen Händlern gekauft, unabhängig von der Situation in der Region und den Beziehungen zwischen den beiden Ländern. In diesem Herbst wird sich zeigen, wie viel wir einkaufen müssen, um das Wintergetreide auszusäen. Dabei haben wir auch eigene Saatgutproduktionsstätten in der Region.

RT: Und wie sieht es heute mit Düngemitteln aus? Wird die Region sie von Russland oder von anderen Ländern kaufen?

Stremousow: In diesem Jahr ist die Region vollständig mit Düngemitteln versorgt, weil wir sie im Herbst im Voraus gekauft, wir haben sie aus ukrainischen Regionen und aus der Türkei angeliefert. In diesem Herbst werden wir sie aus Russland und möglicherweise aus anderen Ländern beziehen.

Übersetzt aus dem Russischen

Mehr zum Thema - "Das ist keine Ukraine mehr" – Russische Regierungsbeamte übernehmen Ämter im Gebiet Cherson

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.