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Kahle Karpaten: Wer ist für den Kahlschlag in der Ukraine verantwortlich?

In den letzten Jahren waren markante Unterschiede zwischen Russland und der Ukraine aus dem Weltraum leicht zu beobachten, und die Rede ist nicht nur von der Stadtbeleuchtung. Satellitenbilder lassen die völlige Kahlheit der Ukraine erkennen, die Zerstörung ihres unschätzbaren Naturschatzes ‒ des Waldes.
Kahle Karpaten: Wer ist für den Kahlschlag in der Ukraine verantwortlich?Quelle: www.globallookpress.com © Reinhold Tscherwitschke / CHROMO

Während des Treffens von Wladimir Putin mit Vertretern von Patrioten- und Jugendorganisationen wurde ein bekanntes Problem angesprochen: der Raubbau an Böden (im Sinne von Mutterböden) und Wäldern durch das Kiewer Regime. "Auch Rundholz wird dort verkauft, obwohl es nicht so viel davon gibt wie in Sibirien. Dort werden bald die ganzen Karpaten kahl sein", sagte der Präsident der Russischen Föderation.

Die ukrainischen Wälder (nicht nur die Karpaten) verschwinden tatsächlich. Auch wenn die Ukraine den Export von Rundholz seit 2015 (!) verboten hat. Wo liegt das Problem?

Die Waldrodung ist im Gange

Im Jahr 2001 war etwa 16 bis 17 Prozent des ukrainischen Territoriums (circa 9,5 bis 10,4 Millionen Hektar) von Wäldern bedeckt. Insgesamt galten 10,4 Millionen Hektar als bewaldete Fläche, während 9,5 Millionen Hektar tatsächlich bewaldet waren.

Die zwanzig Jahre alten Daten sind zum Vergleich angeführt: Das Jahr 2001 wird von Wladimir Borejko, dem Direktor des Kiewer Umwelt- und Kulturzentrums, als Ausgangspunkt genommen. In seiner Publikation analysiert er den Umfang des Holzeinschlags von 2001 bis 2016. In diesem Zeitraum wurden in der Ukraine 800.000 Hektar Wald (7,2 Prozent der gesamten Waldfläche) gerodet.

Und nun die Zahlen für das Ausmaß 2017 bis 2020: 1.355.000 Hektar. Wobei das die offizielle Abholzung ist, zu der weitere 219.000 Hektar illegal abgeholzter Fläche hinzukommen. Das sind insgesamt etwa 2,37 Millionen Hektar über 19 Jahre hinweg. Der Holzeinschlag begann also unmittelbar nach dem Moratorium?

Erwähnenswert ist, dass die Waldfläche in der Ukraine (damals Ukrainische SSR) im Zeitraum 1961 bis 1991 um ein vergleichbares Volumen (etwa 2 Millionen Hektar) zunahm. Somit wurde alles, was damals in dreißig Jahren gewachsen ist, in den nachfolgenden dreißig Jahren der ukrainischen Unabhängigkeit abgeholzt.

Die Daten von Wladimir Borejko sind heute bereits veraltet. Doch seine Publikation lässt erkennen, dass die Karpaten nicht das einzige oder gar das Hauptproblem der ukrainischen Wälder sind. Von den aufgerechneten 800.000 Hektar Wald sind nur 126.000 Hektar in den Karpaten abgeholzt. Ein viel größeres Volumen betrifft die Region Polesien (Nordwesten, Norden und Nordosten der Ukraine).

Die Karpaten umfassen hauptsächlich die Gebiete Lwow und Tschernowitz (93.600 Hektar). Zählt man aber nur die Rodungen der zwei in diesem Sinne bedeutendsten Gebiete Polesiens (Schitomir und Rowno) zusammen, kommt man auf 250.000 Hektar. In Polesien wird somit viel intensiver gerodet als in den Karpaten.

Ab dem Jahr 2010 ereilte Polesien ein weiteres Unglück. Durch den räuberischen Bernsteinabbau wird nebenbei auch noch der Wald zerstört (der Boden wird mittels Motorpumpen weggeschwemmt, der Wald wird absichtlich in Brand gesteckt ‒ um das Gebiet für den "sanitären Holzschlag" auszuweisen). Die Förster von vier Gebieten (Kiew, Rowno, Schitomir und Wolhynien) schätzen, dass im Jahr 2020 6.000 Hektar Wald durch den Bernsteinabbau verloren gingen.

Im Süden der Ukraine gibt es deutlich weniger Wälder. Allerdings befindet sich im Gebiet Cherson der legendäre Zjurupinsk-Wald ‒ der größte von Menschenhand angelegte Wald auf dem ehemaligen Territorium der UdSSR. Seine Fläche beträgt etwa 100.000 Hektar, wobei man mit der Bewaldung bereits im 19. Jahrhundert im Russischen Zarenreich begann.

Heute versucht das Kiewer Regime den gesamten Schaden, der durch den Raubbau entstanden ist, den russischen Streitkräften in die Schuhe zu schieben. In der ukrainischen Medienlandschaft gibt es zahlreiche Veröffentlichungen über die Schrecken der Waldrodung und die Zerstörung der Böden durch das Ausheben von Gräben und die Durchfuhr von schwerem Gerät. Doch seit fünf bis sieben Jahren wird der Zjurupinsk-Wald von den "Verteidigern der Ukraine" in Anspruch genommen. Gemäß ukrainischen Medienberichten war dort ein enger Zusammenschluss von "Veteranen der Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Armee (AFU) und Angehörigen des "Rechten Sektors(*)" tätig, die von der örtlichen Polizei gedeckt wurden.

Die "Veteranen" vernichten nicht nur Bäume, sondern auch Menschen. Im Jahr 2018 griffen sie die Aktivistin Jekaterina Gandsjuk an, die das Problem der illegalen Waldrodung aktiv in den Medien thematisierte. Den Ermittlern zufolge handelt es sich bei mindestens zwei der Angreifer um Mitglieder des "Rechten Sektors" (Prawoseki)*.

Verbot und Moratorium

Das Problem der Rundholzexporte taucht nicht zum ersten Mal ungefähr zur gleichen Zeit in der russischen und der ukrainischen Informationslandschaft auf. Die Ausfuhr von unverarbeitetem Holz aus der Russischen Föderation ist seit dem 1. Januar 2022 verboten. Davor, in den Jahren 2020 und 2021, hatte die russische Regierung die Ausfuhrzölle auf dieses Holz schrittweise erhöht. Die Lösung ist zugegebenermaßen nicht neu. Das Thema wurde schon vor etwa 15 Jahren erörtert, jedoch lange Zeit aufgeschoben.

Dabei haben die Holzunternehmen schon lange vor dem totalen Verbot und den hohen Zöllen damit begonnen, diese Exportware aufzugeben. Waren die Rundholzexporte um das Jahr 2000 noch mit 50 Millionen Kubikmetern beziffert, so schwanken sie seit 2009 zwischen 16 und 19 Millionen Tonnen pro Jahr.

Die Ukraine hat die Ausfuhr nicht verboten, aber ein 10-jähriges Moratorium verhängt, wobei früher als die Russische Föderation (im Jahr 2015). Diesbezüglich wurde die Ukraine von der EU sogar vor einem Schweizer Schiedsgericht verklagt (Europa war der Ansicht, dass das Moratorium gegen das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU verstieß). Letztendlich riet das Gericht der Ukraine, das Moratorium abzuändern, damit die EU nicht verstimmt würde, doch die Frage blieb bis zum Start der militärischen Spezialoperation offen.

Übrigens, jetzt hat Europa eine Chance, an das Holz der Ukraine zu kommen: Im August wurde von den Plänen berichtet, mit den Einnahmen aus dem Export von Rundholz die Schulden für Waffenlieferungen zu begleichen.

Aber das liegt in der Zukunft, und vorerst geht es um das Moratorium. Wie wir wissen, waren die Waldrodungen im Zeitraum 2017 bis 2020 fast anderthalbmal so hoch wie in den 15 Jahren zuvor. Also wurde das Holz trotz aller Moratorien still und leise exportiert. Gelegentlich wurden Stämme in anderthalb Meter lange Holzklötze zersägt und unter der Bezeichnung Brennholz nach Europa verkauft. Meistens machte man sich aber keine Gedanken darüber.

Zudem waren in der zweiten Hälfte der Amtszeit von Petro Poroschenko europäische Kommissare in Kiew zu Gast, mit der Bitte, "das Moratorium aufzuheben/abzuschwächen". In Europa war man hauptsächlich deshalb gekränkt, weil die Holzpreise aufgrund des Rückgangs der Rundholzexporte aus Russland und des ukrainischen Moratoriums gestiegen waren. Die ukrainischen Beamten und Geschäftsleute wussten dies geschickt zu nutzen: Man verdiente Geld mit illegaler Waldrodung unter dem Deckmantel der Verantwortung für die Umwelt und die heimischen Produzenten.

Ein Moratorium, ein Verbot oder restriktive Zölle können tatsächlich Wälder retten. Und obwohl es noch verfrüht ist, eine Bilanz des Verbots zu ziehen, lässt sich sagen, dass die russische Waldfläche durch den drastischen Rückgang der Exporte im Zeitraum 2009 bis 2021 um 4,3 Millionen Hektar (etwa die Hälfte der ukrainischen Fläche) zugenommen hat. Die Zunahme der russischen Wälder ist sogar in Norwegen bemerkt und anerkannt worden.

Wie kommt es dazu, dass sich die Wälder in Russland vor dem totalen Exportverbot für Rundholz erholen, während in der Ukraine die Abholzung nach dem Moratorium um ein Vielfaches ansteigt? Das ist kein Geheimnis. Zum einen ist der Handel mit Produkten hoher Wertschöpfung profitabler als mit Rundholz. Außerdem wird durch die Umweltagenda und den Kampf gegen CO2-Emissionen jeder Wald (vor allem aber junge Wälder!) zu einer lukrativen Cashcow. Gerade der junge Wald bindet aktiv CO2. Dann müssen nur noch die Mengen berechnet und nachgewiesen werden, um damit auf den Markt für Kohlenstoffeinheiten zu gehen.

Dazu muss der Staat allerdings ein Staat sein und keine legalisierte Bande von Wilderern mit einer Kruste aus "Veteranen der Anti-Terror-Operation".

* Die Organisation(en) wurde(n) aufgelöst oder ihre Tätigkeit ist in der Russischen Föderation verboten.

Zuerst erschienen bei Wsgljad. Übersetzt aus dem Russischen.

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