Meinung

Warum die USA eine dschihadistische Organisation aus China von der Terrorliste nehmen

Mike Pompeo hat entschieden, dass die radikale Islamische Bewegung Ostturkestans nach 18 Jahren nicht mehr als terroristische Gruppe betrachtet werden soll. Ein subtiler Schritt, der darauf abzielt, der Autonomen Region Xinjiang in China Schwierigkeiten zu bereiten.
Warum die USA eine dschihadistische Organisation aus China von der Terrorliste nehmenQuelle: AFP © Ozan Kose

von Tom Fowdy

Während die Welt durch das anhaltende Drama der US-Präsidentschaftswahlen abgelenkt ist, war Außenminister Mike Pompeo am Donnerstag bei der Arbeit und machte einen sehr subtilen, aber dennoch bedeutenden Schritt. Er verkündete dem US-Bundesregister in aller Stille, dass die USA die Islamische Turkestan-Partei (TIP) (auch bekannt als Ostturkestanische Islamische Bewegung, englisch mit "ETIM" abgekürzt) von der Liste terroristischer Organisationen nehmen wollebn.

Die ETIM ist eine uigurische Dschihadistengruppe, die sich für die Unabhängigkeit der Autonomen Region Xinjiang in China einsetzt. Sie wurde von den USA 18 Jahre lang als terroristische Organisation gelistet und stand auch auf der schwarzen Liste des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wegen Verbindungen zu Al-Qaida, den Taliban und dem Islamischen Staat (IS, ehemals ISIS).

Und sie wurde mit zahlreichen Terroranschlägen innerhalb Xinjiangs selbst in Verbindung gebracht, aber auch mit Mitgliedern, die neben Islamisten am syrischen Bürgerkrieg teilgenommen haben.

Der Schritt von Pompeo ist subtil, aber bedeutsam und von Natur aus politisch. Er folgt einem seit Langem etablierten Muster, nach dem die US-Außenpolitiker entsprechend den geopolitischen Präferenzen definieren, wer ein "Terrorist" ist und wer nicht. Nun, da es so aussieht, als ob Pompeo am Ende aus dem Amt scheiden könnte, will er ein Vermächtnis hinterlassen, das China das Leben schwer macht. Das langfristige Ziel? Xinjiang möglicherweise in "Chinas Afghanistan" zu verwandeln und absichtlich Unruhe in der Region zu schüren.

Xinjiang ist in letzter Zeit zunehmend in den Mittelpunkt der Außenpolitik von Pompeo und der USA gerückt. Die USA versuchten, eine umfassendere Erzählung voranzutreiben, wonach China über eine Million Uiguren, eine muslimische Minderheitengruppe, in einem Umerziehungssystem inhaftiert, das mit Konzentrationslagern verglichen wird. Sie warfen China schwere Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung vor.

Peking räumt zwar die Existenz dieser Einrichtungen ein, argumentiert jedoch, ihr Zweck bestehe darin, die Terrorismusbekämpfung in der Region zu erleichtern, und bezeichnet sie als "Berufsbildungszentren", eine Behauptung, die viel Skepsis hervorrief. Wie dem auch sei, es ist ganz offensichtlich, dass das Thema aufgeladen wird, um die Zustimmung zu einer von den USA angeführten Konfrontation mit China herzustellen.

Und hier liegt die subjektive Debatte darüber, was "Terrorismus" ausmacht und was nicht. Wie das Sprichwort sagt: "Der Freiheitskämpfer des einen ist der Terrorist des anderen", und nie war das zutreffender als bei den USA, die das Etikett gerne vertauschen, wenn sie ihre politische Agenda vorantreiben wollen.

Zum Beispiel waren die Mudschahedin, die die USA in Afghanistan gegen die UdSSR unterstützt hatten, als "Freiheitskämpfer" bezeichnet worden, bis sie sich dann gegen die USA selbst wandten, eine entscheidende Rolle bei den Schrecken des 11. September spielten und dann zu Terroristen wurden.

Nordkorea wird als "staatlicher Förderer des Terrorismus" aufgeführt, obwohl es überhaupt nicht am Terrorismus beteiligt ist. Auch der Sudan hatte auf der Liste gestanden, bis er sich bereit erklärte, Israel anzuerkennen, und plötzlich stand er dort nicht mehr.

Ebenso reist Pompeo um die Welt und verlangt, dass vom Iran finanzierte Gruppen wie die Hisbollah als terroristische Organisationen bezeichnet werden. Aber die ETIM ist jetzt offenbar akzeptabel, trotz der schwarzen Liste der UNO und ihrer Verbindung mit einer Reihe anderer Gruppen, die die USA als Terroristen betrachten.

Die Änderung der Terminologie für geopolitische Motive könnte nicht offensichtlicher sein und wird nun eindeutig zum Nachteil Chinas verwendet werden. Und die Auswirkungen sind folgende: Die USA werden nicht länger Sanktionen gegen die Gruppe verhängen, hart gegen ihre Mitglieder vorgehen (die zuvor in Guantanamo Bay inhaftiert waren) oder sie auf die schwarze Liste des Finanzsystems setzen. Dies wird der ETIM einen wirksamen "sicheren Hafen" in den USA ermöglichen, wo ihre Mitglieder politische Zuflucht suchen, Ressourcen bündeln und sich dem Einfluss Pekings entziehen können.

Die USA hoffen, dass das langfristige strategische Ziel, möglicherweise Unruhen und Aufstände in Xinjiang zu fördern, letztlich die Opposition gegen die Kommunistische Partei Chinas fördern wird, die Pompeo als eine Ursache für Freiheit und Befreiung darstellt.

Es ist eine Umkehrung von fast zwei Jahrzehnten US-amerikanischer Außenpolitik und ein perfektes Beispiel dafür, was "Terrorismus" ist, der sich zu strategischen Zwecken verlagert. Schließlich handelt es sich hier um eine Region, die ein geografischer Eckpfeiler der "Belt and Road"-Initiative Chinas sowie die Hauptroute des Landes in den Großraum Eurasien ist und das Land im Süden mit dem chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor in den Indischen Ozean und im Norden mit Russland und Kasachstan verbindet.

Warum sollte Pompeo eine Gruppe ersticken, deren Hauptschwerpunkt China selbst ist? Während seine eigene Amtszeit abläuft, traf er gerade eine Entscheidung, die langfristige und weitreichende Konsequenzen haben könnte.

Mehr zum ThemaPompeo kritisiert Schweigen Irans zur angeblichen Unterdrückung der muslimischen Uiguren

Tom Fowdy ist ein britischer Schriftsteller und Analyst für Politik und internationale Beziehungen mit einem Schwerpunkt auf Ostasien.

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.