Meinung

"Straftatbestand": Von Russland bezahlt

Seit ich für RT schreibe, wird der Wind eisiger und rauer. Vom Osten sei ich finanziert, von Russland, von Putin höchstpersönlich bezahlt, natürlich. Somit ist es egal, was ich schreibe, entscheidend ist, wo es veröffentlicht wird.
"Straftatbestand": Von Russland bezahltQuelle: www.globallookpress.com © Nikolay Gyngazov/Global Look Press

von Tom J. Wellbrock

Es gibt da aber ein paar Kleinigkeiten, die ich einfach nicht verstehe. Da wäre zunächst einmal die Frage danach, wo ein Journalist arbeiten darf, für wen, und was er aus seinem Job macht. Früher, es ist lange her, da war das eine sehr persönliche Entscheidung. Wichtig war in erster Linie, dass man für seinen Arbeit- oder Auftraggeber guten Gewissens schreiben konnte. Ich vermute aber, dieses Prinzip gilt nicht mehr. Heute kommt es drauf an, das zu schreiben, was die Etage über einem erwartet. Mir tun die Kollegen aufrichtig leid, die unter solchen Bedingungen arbeiten müssen. Ich entscheide unter der RT-Rubrik "Meinung" selbst, was ich schreibe. Einziges Risiko: Mein Text wird nicht genommen, weil das Thema bereits ausgiebig behandelt wurde. Es gibt noch ein paar andere Gründe, aber die fallen unter die Kategorie "Journalistisches Risiko".

Kommen wir zur nächsten Kleinigkeit: Gern würde ich die Gelegenheit nutzen, mit meiner vom allgemeinen Narrativ abweichenden Meinung in den "alten", den "etablierten", eben den "Qualitätsmedien" vertreten zu sein. Nun, die wollen mich aber partout nicht. Kein Wunder, ich gehöre zu den Schwurblern, den Querdenkern, den Verschwörungstheoretikern, zum ganzen Paket. Und mit denen will man als "seriöses" Medium nichts zu tun haben. Mehr noch, wer sich mit mir einlässt, muss die wie ein Damoklesschwert über uns allen schwebende Kontaktschuld befürchten. Mehr oder weniger mein Leben lang war ich ein Exot, damit kommt man klar. Inzwischen bin ich eine "Gefahr für die Demokratie", und immer wieder aufs Neue muss ich meiner Frau erklären, dass sie nicht alles glauben soll, was sie über mich liest, es ist schon in Ordnung, dass sie mich damals geheiratet hat (nein, das ist nur ein Witz, nur ein Witz!)

Das liebe Geld

Womit wir bei der Kleinigkeit Nummer 3 angekommen wären: dem Geld. Ich bin nicht Robert Habeck, habe also nicht so viel Geld, dass ich gar nicht weiß, wie ich es ausgeben soll, weil ich immerzu von A nach B gefahren werde. Wer möchte auch so ein Schicksal erleiden? Wenn ich von A nach B will, muss ich selbst fahren, allenfalls ein Bus- oder Bahnfahrer erbarmt sich meiner und bringt mich – gegen Bezahlung – an mein Ziel. Damit ich das und alles andere bezahlen kann, muss ich arbeiten, schuften, mir meine Brötchen verdienen. Das mache ich, schließlich soll ich auch konsumieren, Steuern zahlen und dafür sorgen, dass die Energiekonzerne nicht pleitegehen.

Es war schon früher so, dass Linke (die Älteren werden sich erinnern) eigentlich überhaupt kein Geld verdienen durften. Sie waren gegen den Kapitalismus, gegen Ausbeutung, also musste fürs Überleben eine Kombination aus Marx und Engels herhalten. In jungen Jahren habe ich also dann versucht, mit der Argumentation von Marx und Engels das eine oder andere zu bezahlen oder zu erwerben. Bis auf eine Ausnahme – aber da war ich zu Besuch in der DDR – gelang mir das nicht einmal ansatzweise. Ich stellte also auf die jeweils gültige Währung um, damit funktionierte es ein wenig besser. Warum ich aber heute nicht von RT für meine Arbeit bezahlt werden soll, erschließt sich mir nicht. Ich arbeite, liefere das Ergebnis ab und werde bezahlt. Nicht unbedingt ein Mysterium, würde ich sagen.

Vom Westen bezahlt

Und hier kommt die vierte Kleinigkeit. Hin und wieder denke ich in Momenten der Rückschau an die Maskenaffären der letzten Zeit. Ich denke an Testzentren, die sich mit teils sehr eigenwilligen Methoden eine goldene Nase verdient haben. Dann fallen mir Olaf Scholz und seine Zeit in Hamburg ein, als er ziemlich intime Gespräche mit Bankern geführt hatte. Nicht viel später sehe ich Ursula von der Leyen vor mir, Christine Lagarde, den Scheuer, Andy, vor meinem geistigen Auge tauchen Pharmaunternehmen auf, die Rüstung, die mächtigsten IT-Player, BlackRock (und deren deutscher christlich-schwarzer Fels in der Brandung namens Friedrich Merz), Banken, Versicherungen und jede Menge Politiker, die mal mehr, mal weniger offen und mit Vergnügen verträumt in den Armen der Lobbyisten liegen, die ihnen regelmäßig kleine Geschenke machen.

Die Tatsache, dass ich mit der Arbeit, die ich mache, Geld verdiene, scheint aber im Vergleich zu den eben genannten Firmen und Leuten ein deutlich übleres Vergehen zu sein. Und das will mir einfach nicht in den Kopf! Es ist ja nicht so, dass ich Steuergelder zum Fenster rausschmeiße, sie veruntreue, 100 Milliarden in die Rüstung stecke, die Wirtschaft sehenden Auges ruiniere, mehr Geld für Berater ausgebe als ein komplett ausgerüsteter Kindergarten in 10 Jahren kostet oder Koffer mit Bargeld durch die Gegend trage. Ehrenwort, das tue ich nicht!

Möglicherweise fallen den Lesern weitere Kleinigkeiten ein, die irgendwie nicht so richtig schlüssig sind. Ich will es an dieser Stelle bei den vier genannten belassen. Außerdem habe ich jetzt auch keine Zeit mehr, ich muss die Rechnung für diesen Artikel schreiben.

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