Meinung

Neues wokes Credo: Geraubte Kulturgüter zurückgeben um jeden Preis

Geraubte Kulturgüter sollen zurück an ihren Ursprungsort. Das fordert jedenfalls die Linken-Politikerin Saraya Gomis. Ob die Länder ihr Zeug überhaupt wiederhaben wollen, ficht Gomis nicht an. Wo kämen wir denn auch hin, wenn derlei Entscheidungen nicht in Deutschland, sondern irgendwo am Ende der Welt getroffen werden?
Neues wokes Credo: Geraubte Kulturgüter zurückgeben um jeden PreisQuelle: Legion-media.ru © Jim Monk

Von Tom J. Wellbrock

Vermutlich kennen Sie die Geschichte vom großartigen Paul Watzlawick, in der ein Hammer die Hauptrolle spielt. Ein Mann will eigentlich seinen Nachbarn bitten, ihm seinen Hammer zu leihen, doch plötzlich kommen ihm ganz dunkle Gedanken. Am Ende ist der Mann überzeugt, dass sein Nachbar ihn hasst und verurteilt, nur weil er keinen Hammer besitzt. Er stürmt zum ahnungslosen Nachbarn, klingelt und brüllt ihn an: "Behalten Sie doch Ihren Hammer, ich will ihn überhaupt nicht!"

Saraya Gomis ist Berliner Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung. Ob es das Pendant "für Einfalt und Diskriminierung" gibt, ist nicht überliefert, aber an dieser Stelle sicher auch sekundär. Dieser Text begann ja mit Paul Watzlawick. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, wird klar, wenn man bedenkt, dass Gomis sich für eine Rückgabe der Büste der Nofretete und des Pergamonaltars ausgesprochen hat. Wörtlich sagte sie:

"Ich persönlich bin dafür, dass der Pergamonaltar und die Nofretete-Büste zurückgegeben werden. Aber darüber zu befinden und zu entscheiden haben andere."

Und jetzt kommt der Hammer ins Spiel. Während der Mann in Watzlawicks Geschichte seinem Nachbarn schwere Vorwürfe machte, weil er der festen Überzeugung war, dass dieser ihm seinen Hammer nicht geben wolle bzw. ihn für einen Idioten hielt, könnte man – um im Bild zu bleiben – sagen, dass Gomis ihren Hammer in Form der Büste der Nofretete unbedingt loswerden will. Was die Ägypter davon halten, schert sie nicht.

Wer sind "andere"?

Im Grunde ist es ja schön, was Gomis vorhat: Geraubte Kulturgüter wieder zurückzugeben, wäre ein wirklich feiner Zug und eine schöne Geste. Dumm nur, dass es in diesem Fall gar nicht so ist. Denn die Nofretete aus dem Jahr 1340 vor Christus ist gar nicht illegal nach Deutschland gekommen, sondern ordnungsgemäß durch die ägyptische Antikenverwaltung im Zuge der damals üblichen Fundteilung bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gelandet.

Und dann kommt Gomis um die Ecke und sagt:

"Aus einer Antidiskriminierungsperspektive muss man sagen: All die Kulturgüter aus anderen Weltregionen gehören nicht uns, sie sind unrechtmäßig hier."

Das kann man sich dann so vorstellen: Der Nachbar des Mannes ohne Hammer kommt zu ihm rüber, klingelt und sagt, dass er den Hammer nehmen müsse, er sei illegal in Besitz des Nachbarn. Der Mann aber braucht und will den Hammer gar nicht haben. So wie die Ägypter, die die Nofretete gar nicht wiederhaben wollen, zumindest ist nichts Derartiges bekannt.

Wenn Gomis also sagt "Aber darüber zu befinden und zu entscheiden haben andere", dann meint sie offenkundig nicht die Ägypter, die ganz andere Dinge um die Ohren haben als Gomis' Wunsch nach Antidiskriminierung zu erfüllen. Trotzdem ist Gomis' Ansatz durchaus charmant.

Her mit den vergoldeten Kanonenrohren!

Also gut, dann wollen wir mal: Geben wir erst einmal die vergoldeten Kanonenrohren der Siegessäule in Berlin den Dänen, Österreichern und Franzosen zurück. Von denen haben wir sie nämlich in den so genannten Deutschen Einigungskriegen geraubt (1864, 1866, 1870/71). Das Detail, dass der Nazi-Architekt Albert Speer den Platz um die Siegessäule umfangreich vergrößern ließ, lassen wir mal unkommentiert.

Rund 500.000 Kunstgegenstände, die die Nazis ihren Opfern geraubt haben, sind trotz informeller Verpflichtung Deutschlands noch nicht wieder zurückgegeben worden.

Nach wie vor haben zahlreiche Überlebende des Holocaust keine Entschädigungszahlungen erhalten, was unter anderem daran liegt, dass die Antragstellung so kompliziert ist, dass selbst Sachbearbeiter am korrekten Ausfüllen der Anträge scheitern. Und selbst wenn Opfer es irgendwie schaffen, den Antrag auszufüllen und einzureichen, heißt das noch lange nicht, dass sie entschädigt werden. Aus teils aberwitzigen Gründen wurden Anträge abgelehnt, etwa mit der Begründung, unter den Nazis nicht zur Kinderarbeit gezwungen worden sein zu können, da diese in Deutschland verboten sei.

Polen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg für durch die Nazis geraubte oder zerstörte Kunstgegenstände im Wert von vier Milliarden Euro bis heute nicht entschädigt.

Vergessen wir auch nicht den Völkermord an den Herero und Nama. Rund 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen befinden sich heute in den Händen von Weißen, gar nicht so wenige davon haben eine deutsche Abstammung. Zwischen 1904 und 1908 töteten die Deutschen 80.000 Menschen, doch einen Völkermord will die Bundesregierung bis heute nicht einräumen.

Kulturaneingung und Corona-Maßnahmen

Und dann wären da ja noch die kulturellen Aneignungen in der Corona-Zeit. Unter "Kultur" kann man hier "Nebensächlichkeiten" wie Freiheitsrechte, Meinungsfreiheit, Unverletzbarkeit der Wohnung und die Demonstrationsfreiheit einordnen. Denn diese Dinge waren doch bisher so etwas wie ein Bestandteil unsere Kultur, oder? Zurückbekommen haben wir längst nicht alle, und die vielen Opfer vom Kleinkind bis zum allein sterbenden Greis sind bis zum heutigen Tage auch nicht entschädigt worden, nicht einmal Entschuldigungen wurden ausgesprochen.

Die Leser mögen die Liste der Aneignungen durch Deutschland fortsetzen, sie dürfte ziemlich lang werden. Die Nofretete zurückgeben zu wollen, obwohl es nicht einmal eine Forderung danach gibt, ist alles in allem nicht nur ein lächerlicher Witz, sondern in erster Linie eines: Eine Gewissensberuhigung der untersten Schublade.

Mehr zum Thema - Baerbock und Bismarck: Aus der Geschichte nichts gelernt

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Moderator und Mitherausgeber des Blogs "neulandrebellen".

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.