Europa

Rebellion gegen EU-Medienfreiheitsgesetz: EU-Staaten fürchten offenbar Rügen

Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission hat an die Bundesregierung und die Bundesländer appelliert, ihren Widerstand gegen das sogenannte Europäische "Medienfreiheitsgesetz" aufzugeben. Mit dem Gesetz soll die Unabhängigkeit der Medien gestärkt werden.
Rebellion gegen EU-Medienfreiheitsgesetz: EU-Staaten fürchten offenbar RügenQuelle: www.globallookpress.com © Malte Ossowski/SVEN SIMON

Mit dem sogenannten Medienfreiheitsgesetz möchte die Europäische Union unter anderem gegen politische Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen und gegen staatliche Überwachung von Journalisten vorgehen. Um sicherzugehen, dass die in dem Gesetz vereinbarten Maßnahmen von den einzelnen Mitgliedsstaaten auch eingehalten werden, soll deshalb eigens ein neues unabhängiges Europäisches Gremium für Mediendienste geschaffen werden, das künftig immer dann eingreifen soll, wenn die nationalen Behörden die Medienfreiheit nicht mehr garantieren können oder wollen. Am Dienstagmorgen haben die deutsche Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) sowie ihre ebenfalls für Medien zuständigen 27 EU-Amtskollegen in Brüssel erstmals über das neue EU-Vorhaben beraten.

Obwohl der Gesetzesentwurf der Kommission bisher keine bindenden Maßnahmen enthält, formiert sich jedoch zunehmend Widerstand gegen das Gesetz. Doch nicht nur in Mittel- und Südosteuropa, wo Medien, wie hierzulande nur zu gern behauptet wird, angeblich stärkerem Druck durch Regierungen ausgesetzt sein sollen als im Westen der EU. Auch in Österreich und vor allem im größten Mitgliedsland Deutschland wird vermehrt Skepsis bezüglich der Rechtmäßigkeit des Vorhabens geäußert. Das überrascht, erklären die beiden Länder sonst doch gebetsmühlenartig, wie wichtig ihnen eine vielfältige und unabhängige Medienlandschaft sei.

Doch auch in Deutschland und Österreich haben Gewalt und Mobbing gegen Journalisten nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen in den vergangenen Jahren zugenommen. Denn nicht nur in Ländern wie Ungarn oder Polen versuchen die Regierungen, massiv in die Besitzverhältnisse im Mediensektor einzugreifen, um die Berichterstattung auf diese Weise letztlich regierungsfreundlich ausrichten zu können. Bei der Frage nach der Medienbeteiligung politischer Organe fällt nämlich auch in Deutschland sofort der Einfluss der SPD eigenen Holding Deutsche Druck und Verlags GmbH & Co. KG (ddvg) auf die vermeintlich freie deutsche Medienlandschaft auf.

Die ddvg verwaltet die zahlreichen Beteiligungen der Partei an Zeitungen und Radiosendern. Zum Beispiel an der DDV Mediengruppe, zu der unter anderem die Sächsische Zeitung gehört. Aber auch am Frankenpost-Verlag, der Berliner Zeitung, dem Berliner Kurier sowie dem Kölner Stadt-Anzeiger und der Kölnischen Rundschau hält die SPD diverse Beteiligungen. Überdies wird der Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz eine auffällige Nähe zum Madsack-Konzern nachgesagt, einem der führenden deutschen Medienkonzerne. Allein Madsack gehören rund 155 Medienunternehmen, darunter auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), das täglich etwa sieben Millionen Leser erreicht. 

Nicht wirklich unabhängig sind in Deutschland aber auch die zahlreichen TV- und Radiosender von ARD und ZDF. So sind die Kontrollgremien der Medienaufsicht auch hier offiziell zwar mit Vertretern vermeintlich unabhängiger gesellschaftlicher Gruppen besetzt. In Wirklichkeit sind diese jedoch nach politischen Kräften austariert. Und diese Gremien entscheiden, wer Intendant wird und wegen welcher Beiträge ein Chefredakteur befördert oder gefeuert wird. Dass sich gerade Deutschland nun auch noch gegen das Gesetzesvorhaben der EU zur Freiheit der Medien wehrt, alarmiert Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová, die das Vorhaben vorantreibt, deshalb zutiefst:

"Dass die polnische und die ungarische Regierung das Medienfreiheitsgesetz kritisieren, ist nicht verwunderlich. Schließlich ist das Gesetz auch eine Reaktion auf negative Entwicklungen in diesen Ländern, in denen die Regierungen versuchen, einen größeren Teil der Medienlandschaft, insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zu kontrollieren", so Jourová. Mehr noch machten ihr jedoch "die kritischen Stimmen aus Deutschland" Sorgen. "Dort glauben einige Behörden und Interessengruppen, dass das deutsche System der Medienaufsicht hervorragend funktioniert und dass das Medienfreiheitsgesetz deshalb nicht nötig ist", so die Politikerin weiter.

"Ich würde mir mehr Führung und EU-weites Denken in unserem größten Mitgliedsstaat wünschen. Je stärker wir die Unabhängigkeit der Medien absichern, desto besser."

Da Medien in Deutschland jedoch weitgehend Ländersache sind, ist die Blockade womöglich jedoch weniger auf die Bundesregierung oder die SPD, sondern eher auf die Regierungen der Länder zurückzuführen. So stellte sich der Bundesrat am vergangenen Freitag zwar prinzipiell hinter das EU-Vorhaben, die Medienvielfalt und -unabhängigkeit in Europa zu schützen und zu stärken. Allerdings beharrten die Ministerpräsidenten darauf, dass die EU aus Sicht der Länder dafür aber keine ausreichende Rechtsgrundlage und Zuständigkeit habe. "Der Bundesrat teilt das Ziel, vielfältige und unabhängige Medien in Europa zu gewährleisten und zu bewahren. Aus einem legitimen Ziel folgt aber dann noch lange keine korrespondierende Ermächtigung der Europäischen Union, dies im Wege einer Verordnung zu regeln", erklärte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die auch Vorsitzende der Rundfunkkommission ist, nach der Ratssitzung.

"Die Kommission schwingt sich nicht nur zum Mediengesetzgeber auf, sondern will gleichzeitig auch noch die Medienaufsicht übernehmen." Dies sei aber nach deutschem Verfassungsrecht nicht zulässig und nach EU-Recht zudem auch unverhältnismäßig. Bislang betreibt die EU kaum Medienregulierung. Sollte das Gesetzesvorhaben letztlich beschlossen werden, wäre es ein erster großer Schritt hin zu einem einheitlichen EU-Medienrecht. Angesichts des großen Widerstandes gegen das Gesetz dürften im EU-Rat und im EU-Parlament nun langwierige Verhandlungen anstehen. Wann und in welcher Form das Gesetz tatsächlich beschlossen werden kann, traut sich in Brüssel indes niemand vorherzusagen.

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