Deutschland

Vom Stralauer Tor zum Potsdamer Platz – Vor 120 Jahren startete die Berliner U-Bahn

Die Berliner Untergrundbahn hat Geburtstag. Am Freitag jährt sich zum 120. Mal der Tag, an dem Passagiere erstmals mit ihr fahren durften. Wirklich unterirdisch lag damals aber nur eine Station. Eine Hommage an die alte Dame, die alles tapfer durchgestanden hat, was ihre Stadt durchstehen musste.
Vom Stralauer Tor zum Potsdamer Platz – Vor 120 Jahren startete die Berliner U-BahnQuelle: Gettyimages.ru © picture alliance / Kontributor

Am 18. Februar des Jahres 1902 durften die Berliner zum ersten Mal ein Verkehrsmittel nutzen, das seitdem untrennbar zu dieser Stadt gehört. Sie hat all ihre Höhen und Tiefen, alle Schicksalsschläge und Glücksmomente am eigenen Leib – Pardon – Netz miterlebt: die Untergrundbahn. 

Dabei war sie ganz am Anfang gar keine Untergrundbahn und hieß auch nicht so: Überwiegend auf stählernen Viadukten verlaufend, nannte der Erfinder Werner Siemens (damals noch ohne Adelstitel) seine neueste Anregung 1880 so, wie sie später – nach seinem Tode – von der Firma Siemens & Halske erbaut wurde und in Hamburg bis heute heißt: Hochbahn. Die Betreibergesellschaft trug noch bis zur Gründung der BVG im Jahr 1928 den Namen Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin (Hochbahngesellschaft), obwohl später zunehmend im Untergrund gebaut wurde. 

Unterirdisch war anfangs nur eine einzige Station: Potsdamer Platz. Dabei handelte es sich übrigens nicht um den U-Bahnhof gleichen Namens, den die Berliner heute kennen. Vielmehr lag er etwas weiter südlich; dort, wo heute aus dem fahrenden Zug ein Abstellgleis zu erkennen ist.

Die feierliche Einweihungsfahrt fand bereits drei Tage früher statt. Am 15. Februar 1902 bestiegen mehrere preußische Minister einen der neuen Züge mit ihren gelb-weiß und rot lackierten Holzaufbauten (es gab zwei Klassen). Der "gemeine" Berliner durfte aber erst am 18. Februar die allererste Strecke vom damaligen Stralauer T(h)or (später U-Bahnhof Osthafen, der nach vollständiger Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nie wieder aufgebaut wurde) zum Potsdamer Platz befahren. Drei Wochen später kam der Ast zum Zoologischen Garten hinzu. Dieser wiederum wurde noch im selben Jahr bis zum "Knie" verlängert; zu dem Platz, der heute nach Ernst Reuter benannt ist, einem großen Förderer der BVG und der U-Bahn in den Zwanziger Jahren. Ab Sommer 1902 erreichten die Züge auch die Warschauer Straße. Damit war die Grundstrecke komplett. Die schon damals alle 5 Minuten fahrende Bahn beförderte bereits im ersten Jahr ihres Bestehens die stattliche Zahl von 30 Millionen Passagieren.

In drei großen Etappen wuchs das Netz in alle Richtungen, und ab den Zwanziger Jahren kamen neue Linien im größeren Profil hinzu. Beinahe mystisch fällt das Ende jeder der Ausbau-Epochen mit einer Differenz von nur wenigen Jahren mit einem großen Schicksalsereignis der deutschen Geschichte zusammen: 1913, 1930, 1989. 

Die U-Bahn stand, wie die ebenfalls in den Zwanziger Jahren elektrifizierte S-Bahn, für Modernität und das Lebensgefühl einer Weltmetropole. Hiermit war es vorbei, als der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg einem Bumerang gleich an seinen Ausgangsort zurückkam: Berlin lag in Trümmern, und auch die U-Bahn war von hunderten Bombentreffern in Mitleidenschaft gezogen worden. Insgesamt wurden 437 Schadensstellen gezählt sowie 496 beschädigte Fahrzeuge. 144 Volltreffer auf unterirdische, 33 auf oberirdische Strecken. Große Teile des Netzes wurden zudem in den letzten Kriegstagen absichtlich geflutet.

Doch bereits am 14. Mai 1945, keine zwei Wochen nach der Kapitulation der Stadt und keine Woche nach der Kapitulation des "Dritten Reiches", fuhr die U-Bahn auf Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten Nikolai Bersarin wieder. Ende 1945 waren bereits 69,5 Kilometer Streckenlänge und 93 U-Bahnhöfe wieder befahrbar, etwa 91,6 Prozent des damaligen Netzes. Der Wiederaufbau war abgeschlossen, als am 18. August 1950 die letzte der kriegszerstörten Stationen – Mohrenstraße, nun mit dem neuen Namen Thälmannplatz – in Betrieb ging; in Anlehnung an das neue sowjetische Vorbild ganz mit Marmor ausgekleidet. Die Wunden im Untergrund waren schneller als die an der Oberfläche verheilt. 

Schon bald riss die deutsche Teilung jedoch neue Wunden in das Verkehrsnetz: Mit dem Mauerbau im August 1961 war das bis dahin allen Widrigkeiten zum Trotz als ein einheitliches System betriebene Netz in zwei Teile zerrissen. Westberliner fuhren fortan im Transit unter der Hauptstadt der DDR durch geschlossene Stationen, die aus dem Bewusstsein der nächsten Generation der Ostberliner bald völlig getilgt waren. Die damals standesgemäß als "Linie A" bezeichnete älteste Berliner U-Bahnstrecke wurde durch die Mauer ausgerechnet dort zerschnitten, wo sie – aus dem Süden kommend, der nunmehr "im Westen" lag – schon 1902 endete: am Potsdamer Platz. Und der Bahnhof Warschauer Straße wurde fortan gewerblich genutzt. 

Diese surreale, heute kaum noch nachvollziehbare Situation hielt 28 Jahre an, bis die Mauer fiel und die Ostberliner das Westnetz in Massen stürmten. Die U-Bahn beförderte im Jahr 1990 eine Rekordzahl an Fahrgästen; Zahlen, die bis heute unerreicht blieben. 

Nun ist sie 120 und wächst nur ganz langsam. Mehr als zwei Jahrzehnte hat der Bau der als "Kanzler-U-Bahn" verspotteten Strecke vom Alexanderplatz über das Regierungsviertel zum neuen Hauptbahnhof gedauert. Gerade einmal vier Kilometer Doppeltunnel mit sechs Stationen wurden das. Für den gern über Gott und die Welt, vor allem aber über sich selbst lästernden Berliner birgt das nicht weniger Witz-Potenzial als der leidige "Hauptstadt-Flughafen". 

Allerdings, liebe Berliner, mal Hand aufs Herz! Wo braucht es überhaupt neue U-Bahn-Strecken in der Stadt? Mit 150 Kilometern und mehr als 170 Stationen ist die deutsche Hauptstadt im nationalen und internationalen Vergleich bereits gut versorgt. Zumal Berlin auch noch ein großes S-Bahn-Netz hat.

Die meisten Finanzmittel müssen sowieso in die Sanierung des in die Jahre gekommenen Bestandsnetzes investiert werden: Auch wenn es in den zurückliegenden 30 Jahren keinen Tag gab, an dem nicht irgendwo etwas wegen Bauarbeiten gesperrt war, an dem nicht gependelt, umgeleitet oder mit Ersatzbussen gefahren wurde. Noch immer sind zu viele Stationen in einem unansehnlichen Zustand. Die letzten Generationen des Berliner Senats haben es zudem versäumt, rechtzeitig eine Erneuerung des Wagenparks einzuleiten. Deshalb müssen immer noch Oldtimer aus den 1960ern und 1970ern über die Berliner Gleise ruckeln. Aber zumindest hier ist Abhilfe in Sicht: Bis zu 1.500 neue Wagen der Firma Stadler können in den nächsten 10 Jahren erworben werden. Davon sind 376 fest bestellt und werden – wenn nicht wieder mal was dazwischen kommt – zwischen 2023 und 2025 geliefert. 

Na dann: Gute Fahrt in die nächsten 120 Jahre! 

Mehr zum Thema - Pariser Métro wird 120 Jahre alt – Erst umstritten, nun Wahrzeichen

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.