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Corona-Zeit: Ex-Richterin erlaubte Seelsorge für Sterbende – und steht nun vor Gericht

In Thüringen steht eine frühere Richterin vor Gericht. Ihr Vergehen: Sie hatte einem Pfarrer in der Corona-Zeit den Zugang zu einer Palliativpatientin in einem Pflegeheim erlaubt. Weil der Pfarrer ihr Vater ist, wird ihr nun Rechtsbeugung vorgeworfen.
Corona-Zeit: Ex-Richterin erlaubte Seelsorge für Sterbende – und steht nun vor GerichtQuelle: www.globallookpress.com © Bodo Schackow/dpa

Am Montag hat im ostthüringischen Gera ein Prozess gegen eine frühere Richterin begonnen. Die Staatsanwaltschaft Erfurt wirft der Frau Rechtsbeugung vor. Zuvor war die damalige Proberichterin nach einem Disziplinarverfahren bereits aus dem Dienst entlassen worden. Ihre Bemühungen, juristisch gegen diese Entlassung vorzugehen, blieben ohne Erfolg.

Die Richterin hatte im April 2020 verfügt, dass ein Pfarrer eine schwer kranke Bewohnerin eines Jenaer Pflegeheims hatte besuchen dürfen, um ihr seelsorgerisch beizustehen. Derartige Besuche waren nach der "Coronaschutzverordnung" untersagt gewesen. Durch den richterlichen Beschluss war es dem Geistlichen ermöglicht worden, der Palliativpatientin Beistand zu leisten.

Das Problem: Bei dem Pfarrer handelt es sich um den Vater der Richterin. Diese hatte an dem betreffenden Tag Bereitschaftsdienst gehabt und war auch für das Pflegeheim zuständig gewesen. Allerdings hätte sie sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft für befangen erklären und den Fall an Kollegen übergeben müssen, als ihr Vater zunächst telefonisch und dann schriftlich beantragt hatte, die Frau im Heim besuchen zu dürfen. Weil sie das nicht getan hatte, sieht die Anklagebehörde den Straftatbestand der Rechtsbeugung erfüllt.

Zum Prozessauftakt schwieg die 37-jährige Angeklagte. Ihr Verteidiger Jörg Geibert, der von 2010 bis 2014 Innenminister des Freistaats gewesen war, beantragte beim Landgericht die Überprüfung der zuständigen Richter auf Befangenheit. Man hätte die Anklage, so Geibert, besser an einem anderen Landgericht erheben sollen. Zuvor hatten sich bereits mehrere Richter selbst für befangen erklärt, weil sie mit der Richterin oder dem Disziplinarverfahren gegen sie zu tun gehabt hatten. Unter anderem deshalb beginnt der Prozess erst vier Jahre nach dem angeblichen Delikt.

Dem MDR erklärte Geibert:

"Das Verfahren ist ja in seiner Absurdität letztlich nur vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie verstehbar. Heute, glaube ich, kann man das alles gar nicht mehr nachvollziehen. (...) Keiner würde heute vernünftigerweise auf die Idee kommen, einen Seelsorger von einem Besuch bei einem Sterbenden auszuschließen."

Die Staatsanwaltschaft wirft der Juristin vor, gegen die Paragrafen 41 und 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) verstoßen zu haben, nach denen ein Richter nicht in Sachen eines Familienangehörigen entscheiden darf. Sie wirft der Frau auch vor, den Antrag und das Verfahren mit ihrem Vater abgesprochen und mit ihm gemeinsame Sache gemacht zu haben.

Der nächste Prozesstag ist der 24. April. An diesem Tag wird eine Entscheidung zum Befangenheitsantrag der Verteidigung erwartet.

Das Delikt der Rechtsbeugung wird laut Paragraf 339 des Strafgesetzbuches (StGB) mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren geahndet.

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