Deutschland

Umfrage: Eindeutige Mehrheit für Offenlegung von Treffen zwischen Politik und Lobbyisten

Den Einfluss von Lobbyisten auf die deutsche Politik hält eine deutliche Mehrheit der Bürger für zu groß. Anders als einige Abgeordnete sprechen sich über 80 Prozent der Deutschen dafür aus, Kontakte zwischen Politikern und Lobbyisten öffentlich zu machen.
Umfrage: Eindeutige Mehrheit für Offenlegung von Treffen zwischen Politik und LobbyistenQuelle: www.globallookpress.com

Einer im Auftrag von Abgeordnetenwatch im April durchgeführten Studie zufolge hält eine deutliche Mehrheit von 82 Prozent den Einfluss von Lobbyisten in Deutschland für "zu hoch" oder gar für "viel zu hoch". Zu dieser Einschätzung kamen Bürger, die mit unterschiedlichen Parteien sympathisieren. Für eine bessere Regulierung durch Gesetze über die Zusammenarbeit von Lobbyisten und Politikern und deren Dokumentation sprachen sich ebenfalls 82 Prozent der Befragten aus.

Die Forderung nach mehr öffentlicher Transparenz und Kontrolle des Lobbyismus in Deutschland durch ein frei im Internet zugängliches Register, in dem Lobbyisten und deren Treffen mit Politikern veröffentlicht werden, befürworten 77 Prozent der Befragten. Die geringste Zustimmung kam von Unions-Wählern, die höchste von jenen der Linken.

Seitens der Union war der Widerstand gegen Lobbytransparenz bisher am Größten. Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl bezeichnete im Rahmen der Diskussion eine Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters Organisationen wie Abgeordnetenwatch und LobbyControl als "Aufpasserorganisationen", die in einer freien Gesellschaft – anders als im Kommunismus und im Nationalsozialismus – nicht angebracht seien. Die CDU/CSU liegt auch bei Parteispenden seit Jahren vorn.

Im Februar hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Patrick Schnieder in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung immerhin mehr Transparenz im Umgang von Politikern und Lobbyisten angeraten, da das Unbehagen in der Öffentlichkeit beim Thema Lobbyismus zunehme. Gleichzeitig betonte Schnieder, Kontakte zwischen Politikern und Interessenvertretern dürften aber nicht eingeschränkt werden. Denn schließlich solle in einer Demokratie jeder seine Interessen bekunden dürfen. 

Vor allem forderte er keine klare Offenlegung der umstrittenen Kontakte, wie Transparenzorganisationen seit Langem anmahnen, sondern gar das "klare Bekenntnis, dass politische Prozesse auch geschützte Räume benötigen, in denen Transparenz verweigert werden kann und muss".

Das Problem ist jedoch, dass durch die organisierte Interessenvertretung in erster Linie ressourcenreiche Verbände – jene mit guten Netzwerken, Vertretern in der Nähe der Politik und den Mittel Einfluss auf die Politik nehmen, wodurch sich ein Ungleichgewicht zwischen weniger prominenten Interessen wie jenen vieler Bürger ergibt.

Auch bei gesellschaftlich bedeutenden Themen, wie beispielsweise der Mietenexplosion, kann dieses deutliche Ungleichgewicht zwischen Wirtschaftsinteressen und Bürgerinteressen beobachtet werden.

Das ergab erst im vergangenen Monat wieder eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Chris Kühn (Grüne), aus deren Beantwortung hervorging, dass zu wohnungs- und baupolitischen Gremien der Bundesregierung, also dem Wohnungsbaugipfel, dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen, dem Immobilienwirtschaftlichen Dialog und auch in der Baukostensenkungskommission, vor allem Vertreter der Immobilienwirtschaft eingeladen waren und Redezeit bekamen, während von Mieterseite lediglich der Deutsche Mieterbund, nicht aber Vertreter der zahlreichen lokalen Mietergruppen eingeladen waren. Und selbst beim groß angekündigten Wohngipfel der Bundesregierung im vergangenen September wurde dem Mieterbund nach eigenen Angaben nur eine Minute Redezeit gegönnt.

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Auch hatte eine Anfrage ergeben, dass der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sich im gesamten Jahr 2018 kein einziges Mal mit Interessenvertretern aus dem Bereich Umweltschutz getroffen hat, mit Vertretern der Autolobby hingegen 15-mal.

Im April verkündete der Autobauer Daimler, traditionell ein Großspender vor allem zugunsten der Union, in diesem Jahr auf jegliche Parteispenden zu verzichten. Im vergangenen Jahr hatte Daimler 320.000 Euro an Parteien gespendet – jeweils 100.000 Euro an CDU und SPD, je 40.000 an Grüne, CSU und FDP. 

Empörung folgte sogleich, der CDU-Bundestagsabgeordnete und Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß befand die Entscheidung als "verantwortungslos, Demokratie gefährdend, dumm", CSU-Schatzmeister Thomas Bauer warf allen großen Firmen, die auf Parteispenden verzichten, eine Schwächung der Demokratie vor.

"Sich um die Demokratie zu kümmern, ist eine Bürgerpflicht", sagte Bauer.

Daimler sei wie eine Art Bürger, sagte Bauer. "Nun leistet die Firma einen Beitrag zur Schwächung der Demokratie und tut nicht etwa eine gute Tat. Man stiehlt sich aus der Verantwortung."

Den Vorschlägen der CDU steht ein Gesetzentwurf der Linksfraktion mit weitreichenderen Forderungen gegenüber, der im vergangenen Jahr im Bundestag diskutiert wurde. Sowohl ein Lobbyregister als auch die Instanz eines neutralen "Lobbybeauftragten im Bundestag" wurden jedoch von der Union und FDP abgelehnt.

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