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Nach Syrien-Konflikt: Golfstaaten wollen Libanon ins Chaos stürzen

Libanon entwickelt sich allmählich zu einem neuen Schauplatz der Konflikte zwischen Iran und Saudi-Arabien. Entscheidend für das Tempo der Eskalation ist nun die Lage im Jemen. Nach der von außen geförderten und mit brutaler Gewalt aufgeladenen Rebellion gegen die staatliche Existenz Syriens droht nun in dieser Region Libanon einem weiteren Experiment der Golfstaaten und deren Verbündeten ausgesetzt zu werden.
Nach Syrien-Konflikt: Golfstaaten wollen Libanon ins Chaos stürzenQuelle: AFP © Mohammad Huwais

Eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi

Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Kuwait und Bahrain zogen ihre Vertreter in einem gemeinsamen Schritt aus Beirut ab, wobei die Golfstaaten ihrerseits zeitgleich jeweils den libanesischen Botschafter auswiesen und die libanesischen Importe komplett einstellten. Dem war eine Kritik des libanesischen Informationsministers George Kordahi an dem saudischen Militäreinsatz in Jemen vorausgegangen.

Der Minister Kordahi hatte in einem am 5. August aufgezeichneten Gespräch im katarischen Fernsehsender Al Jazeera Saudi-Arabien als "Aggressor" im Jemen-Konflikt bezeichnet. Dieser Krieg sei absurd und es sei an der Zeit, ihn zu beenden, sagte er seinerzeit. Der Christ Kordahi ist Mitglied des erst im September neu gebildeten dritten Kabinetts des libanesischen Premierministers Nadschib Miqati. 

Kordahi ist in der arabischen Welt seit Jahren als Moderator der arabischen Version einer Millionenshow bekannt, die vom saudischen Medienkonzern MBC produziert wird. Nach seiner jüngsten Kritik an der Kriegsmaschinerie der von den Saudis geführten Militärkoalition im Jemen gab MBC auch seinen Rückzug aus Beirut bekannt.

Im Zuge der neuen diplomatischen Spannungen zwischen Saudi-Arabien und Libanon bleibt nun zu fragen, was eigentlich hinter der neuen Eskalation steckt, da ja das besagte Fernsehinterview mit Kordahi mehr als einen Monat vor seiner Ernennung zum Minister aufgezeichnet worden war. Und warum sollten Saudis ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in diesem Ausmaß gegen Libanesen vorgehen, wenn es Libanon endlich gelungen ist, eine neue Regierung nach der monatelagen Pattsituation zu bilden? 

Die Regierung Miqati wurde etwa 13 Monate nach dem Rücktritt des Kabinetts von Hassan Diab gebildet. Zuletzt weigerte sich Riad, Miqati wegen seiner Koalition mit der Hisbollah als Premierminister zu unterstützen. Die Saudis fanden sich letztendlich allein wieder, als man in Washington, D.C. und Paris Unterstützung für Miqati bekundete.

Miqati appellierte am Montag an Kordahi, er solle bitte seinen "Patriotismus" über alles stellen. Dieser indirekten Rücktrittsforderung kam Kordahi vorerst nicht nach. Die Hisbollah hat sich fest hinter den Minister gestellt und drohte mit dem Rückzug aus der Regierung, falls Kordahi sein Amt niederlegen würde. Die Hisbollah vertritt die Meinung, dass das Ziel des Angriffs auf Kordahi sei, den Libanon zu erpressen und Aufruhr im Land zu schüren.

Die Positionierung von Kordahi zum Jemen-Konflikt löste unter Jemeniten Begeisterung aus, wobei sie in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa mittlerweile Plakate mit George Kordahi und seiner Äußerung anbringen ließen.

Kordahis Kommentar war im Grunde nur ein Vorwand für die Saudis, um eine neue Kampagne gegen Libanon zu starten, insbesondere auch, nachdem westliche Sanktionen gegen Libanesen nicht dazu geführt hatten, dass die Hisbollah an Einfluss im Land verliert. Ganz im Gegenteil baute die Hisbollah unlängst durch den Import von Erdöl aus Iran ihren Einfluss aus. Infolge des Treibstoffmangels kommt es im Land seit Monaten häufig zu Stromausfällen. Bevor die neue Regierung Libanons gebildet wurde, hatte das politische Patt monatelange auch dafür gesorgt, dass das Land von den USA und der EU mit immer mehr Sanktionen überhäuft wurde.

Libanon entwickelt sich allmählich zu einem neuen Schauplatz der Konflikte zwischen Iran und Saudi-Arabien auf regionaler Ebene. Entscheidend ist allerdings beim Tempo der Eskalation die Lage im Jemen. Die Huthis gelten den Saudis als iranische Stellvertreter in der Region und werden nach Darstellung des saudischen Außenministers auch von der libanesischen Hisbollah unterstützt.

Im Moment schreitet in der Provinz Ma'rib im Zentrum Jemens die Offensive der Huthi-Bewegung gegen die von Saudi-Arabien geförderte Militärkoalition fort. Ma'rib ist die letzte Hochburg der international anerkannten Regierung des nach Saudi-Arabien geflohenen Abed Rabbo Mansur Hadi im Norden Jemens. Die Region ist von enormer strategischer Bedeutung. Wenn diese Stadt an die Huthis fällt, ist die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition faktisch als gesamte Mission im umkämpften Jemen gescheitert.

Insofern versuchen die Golfstaaten mutmaßlich mit den neuen Strafmaßnahmen gegen Libanon, Iran zu Zugeständnissen im Jemen zu bewegen, nämlich zum Einwirken Irans auf die Huthis im Sinne einer Einstellung der Offensive in Ma'rib. Mit anderen Worten scheuen sich Golfstaaten nicht davor, die mühsam errungene libanesische Regierungskoalition scheitern zu lassen, um ihre Ziele zu erreichen.

Libanon ist bekanntlich ein krisengeschütteltes Land. Die Wirtschaft steht bereits am Abgrund, das Land kämpft mit Stromausfällen und erlebt gelegentliche Ausbrüche politischer Gewalt und Unruhen. Vor Kurzem kam es auch zu schweren Feuergefechten in Beirut zwischen Schiiten und Christen. Die Szenen und Bilder erinnerten an die Straßengefechte des Bürgerkriegs (1975–1990). Nun gießen die Saudis auch noch Öl ins Feuer, indem sie versuchen, die neue Regierung zu Fall zu bringen. Es ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass es gemeinsame Bemühungen der USA, Israels und der Golfstaaten gibt, den politischen Einfluss der Hisbollah zurückzudrängen, indem man die soziale und politische Kluft und die dadurch drohenden Konflikte durch Sanktionen wieder anheizt. Nach der von außen geförderten und mit brutaler Gewalt aufgeladenen Rebellion gegen die staatliche Existenz Syriens droht nun in dieser Region Libanon einem weiteren Experiment der Golfstaaten und deren Verbündeten ausgesetzt zu werden.

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