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Liz Truss wird es als neue britische Premierministerin nicht leicht haben

Die bisherige britische Außenministerin Liz Truss wurde nach ihrer Wahl zur neuen Tory-Vorsitzenden zur Premierministerin ernannt. Sie wird wohl weitermachen, wo Boris Johnson aufgehört hat – aber mit weniger öffentlichem Vertrauen und sich verschärfenden Krisen.
Liz Truss wird es als neue britische Premierministerin nicht leicht habenQuelle: www.globallookpress.com © Martyn Wheatley

Eine Analyse von Timur Fomenko

Die Medien hatten das Ergebnis bereits als ausgemachte Sache erklärt, weil es zwischen Liz Truss und ihrem Mitbewerber Rishi Sunak, dem ehemaligen Schatzkanzler, keinen wirklichen Kampf um die Wahlstimmen der Konservativen gab. Truss ersetzt somit Boris Johnson, der nach einer Reihe von Skandalen, mit denen die Glaubwürdigkeit seiner Regierung – zu der auch Truss gehörte – erschüttert wurde und zum Rücktritt gezwungen war. Aber Truss steht nicht für einen neuen Aufbruch oder frischen Wind. Sie ist ein Produkt des Erbes, das Johnson hinterlassen hat. Für diejenigen, die von Johnsons Politik bereits desillusioniert sind, werden die Dinge nur noch schlimmer werden.

Johnson war als Hanswurst bekannt, wenn er sich oft auch absichtlich als einer gab. Bevor "Partygate" das öffentliche Vertrauen zerstörte, war er größtenteils sympathisch rübergekommen. Seine clownesken Eskapaden waren eine Bereicherung gewesen, bevor sie sich letztendlich dann doch als Belastung herausstellten.

Truss kann mit nichts dergleichen aufwarten. Sie wird allgemein verspottet, aber es gibt ein tragisches Element dabei – zum Beispiel, als sie wegen ihrer Besessenheit von Käse schon früh ins Lächerliche gezogen wurde –, denn der entscheidende Punkt ist, dass sie versucht, ernsthaft zu sein.

Truss ist keine joviale, liebenswerte Possenreißerin, sie ist ein Abklatsch von Margaret Thatcher, gepaart mit einer sehr gefährlichen Brexit-Euphorie und nationalistischem Chauvinismus. Sie ist eine demokratische Fundamentalistin, die ein sehr dogmatisches Weltverständnis hat, das sie während ihres Aufstiegs zur Macht mit dem Mantra des Brexit vermischte und es von einer reaktionären nationalistischen Nostalgie in einen neokonservativen Konfrontationskurs verwandelt hat. Ihre Marke baut darauf auf, die Fähigkeiten Großbritanniens zu übertreiben, so zu tun, als wäre diese Nation etwas, das sie längst nicht mehr ist und das gleichzeitig in Verbindung mit dem Bestreben steht, einen heroischen Kollisionskurs mit China und Russland einzuschlagen. Es wurde berichtet, dass Truss fast unmittelbar nach ihrem Amtsantritt versucht haben soll, Peking zur offiziellen Bedrohung zu erklären.

Es bleibt abzuwarten, ob dies nur ihrem Chauvinismus geschuldet ist, vor dem Hintergrund, dass sie eine Vorgeschichte im "Regieren durch Parolen" hat. Aber selbst dann wird dies letztendlich dazu führen, Unsicherheit zu erzeugen und Spannungen eskalieren zu lassen.

Man kann nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass Truss tatsächlich kompetent ist und weiß, was sie tut. Für die Öffentlichkeit ist das Beunruhigendste an ihr, dass ihre tatsächlichen Fähigkeiten und Kompetenzen, eine Regierung zu führen, von vielen in Frage gestellt werden, und sie tritt ihr Amt mit einem Defizit an Vertrauen und Popularität an. Sie ist eigentlich weniger beliebt als Johnson.

Auch ihr Einzug in die Downing Street Nummer 10 könnte für sie zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen. Die Menschen in Großbritannien werden ihr nicht viel Geduld entgegenbringen, nachdem sich die Briten mit explodierenden Stromrechnungen und Lebenshaltungskosten konfrontiert sehen. Es wird erwartet, dass das Land in eine Rezession abrutscht, während unzählige Rentner im kommenden Winter ihre Stromrechnungen nicht mehr werden bezahlen können. Truss wird argumentieren, dass dies der Preis für einen Sieg gegen Russland in der Ukraine ist, und sie wird Putin – und wahrscheinlich auch Peking – für alles die Schuld geben. Indem sie sich auf einen zunehmenden Kalten Krieg mit China konzentriert und sich weigert, Kompromisse mit Moskau einzugehen, wird sie die Lage für den durchschnittlichen Briten in naher Zukunft wahrscheinlich noch viel schlimmer machen. Truss kann hart reden und selbstgerecht erscheinen, aber sie scheint keinen Plan zu haben, der die Lebensgrundlage der britischen Bürger in absehbarer Zeit verbessern wird.

Auch wird das nicht die Wiederbelebung Großbritanniens auf globaler Ebene, wie sie gerne behauptet, sondern vielmehr den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit beschleunigen. Großbritannien wird nicht nur ärmer sein, sondern es besteht auch wenig Neigung zu glauben, dass ein von ihr geführter Staat tatsächlich von anderen Staaten respektiert werden wird.

Weniger als eine Woche vor Truss' Wahlsieg wurde bekannt, dass die indische Wirtschaft die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs in Bezug auf das BIP überholt hat. Für die Inder war es ein Moment der Genugtuung, die ehemaligen Kolonialherren wirtschaftlich überflügelt zu haben und den Aufstieg Indiens zur Schau zu stellen. Doch für Truss ist das Britische Imperium nicht Geschichte, und sie scheint einfach nicht zu verstehen, dass Indien keine einseitigen Handelsbedingungen zugunsten Großbritanniens akzeptieren wird. Indien macht keine Handelsgeschäfte auf der Basis "postimperialer Nostalgie".

Ihre kommende Amtszeit wird ein harter Realitätscheck werden, der wahrscheinlich von lauter Chaos, Rücksichtslosigkeit und möglicherweise sogar Katastrophen begleitet wird. Es sei denn, Truss überrascht ihre Mitbürger und die Welt, indem sie ein geniales Ass aus dem Ärmel zieht. Aber hat sie dort eines stecken? Die Zeit wird es zeigen.

Übersetzt aus dem Englischen.

Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.

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