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Ehemaliger Reagan-Berater kritisiert Russlands Umsicht: "Putin muss entschlossen handeln"

Einer der wichtigsten US-amerikanischen Strategen der Endphase des Kalten Krieges und langjähriger Reagan-Berater, Paul C. Roberts, zeigt sich in seinen neuesten Publikationen besorgt über die Gefahr eines Atomkrieges. Die russische Zurückhaltung in der Ukraine locke den Westen zu einer abenteuerlichen Überschreitung russischer roter Linien.
Ehemaliger Reagan-Berater kritisiert Russlands Umsicht: "Putin muss entschlossen handeln"Quelle: AFP © MIKE SARGENT / AFP

Russland muss in der Ukraine siegen, um einen Atomkrieg zu vermeiden. Diese Auffassung vertritt Paul Craig Roberts, ein ehemaliger Mitarbeiter des Weißen Hauses während der Präsidentschaft von Ronald Reagan.

"Ja, mir ist es lieber, Russland gewinnt den Krieg, als dass der Konflikt zu einem Atomkrieg eskaliert. Bis vor kurzem war die Ukraine jahrhundertelang ein Teil Russlands. Im 20. Jahrhundert schloss die sowjetische Führung Teile Russlands an ihre ukrainische Provinz an. Diese Russen litten unter dem von Washington 2014 errichteten Neonazi-Regime, gründeten unabhängige Republiken und baten um ihre Rückkehr nach Russland. Diese legitime Forderung ist kein Grund für einen Atomkrieg", schrieb Roberts auf seiner Webseite.

Wenn die USA und die NATO Putin weiterhin in die Enge treiben, müsse er handeln. Diese Auffassung wiederholte Roberts auch in mehreren im Dezember in US-amerikanischen Medien veröffentlichten Interviews. In einem Interview für die Plattform The UNZ-Review antwortete er auf die Frage, ob er tatsächlich der Meinung sei, dass der russische Präsident Wladimir Putin aktiver und massiver in dem Krieg in der Ukraine hätte vorgehen müssen: 

"Ja, Sie haben meinen Standpunkt richtig wiedergegeben. (...) In meinen Artikeln verteidige ich die Wahrheit, nicht Putin, obwohl Putin meiner Meinung nach der ehrlichste und vielleicht naivste Spieler in dem derzeitigen Spiel ist, das in einem nuklearen Armageddon enden könnte. Mein Ziel ist es, ein nukleares Armageddon zu verhindern, und nicht, Partei zu ergreifen. (...) Putin ist ein guter Führer, ein Mensch, vielleicht zu menschlich für das Böse, dem er gegenübersteht. (...) Putin nimmt Provokationen in Kauf, obwohl er rote Linien erklärt hat, setzt er sie nicht durch. Folglich werden seine roten Linien nicht geglaubt. (...) Irgendwann wird es eine Provokation geben, die zu viel ist."

Putins Ziel, zeigt sich Robert in dem Interview überzeugt, war es, einen Krieg zu vermeiden. Sein begrenztes militärisches Ziel in der Ukraine sei es gewesen, die ukrainischen Streitkräfte aus dem Donbass zu vertreiben. Die so in den Zielen begrenzte Operation habe die ukrainische Kriegsinfrastruktur intakt gelassen, so dass die Ukraine bald in der Lage war, moderne Waffen aus dem Westen zu erhalten und einzusetzen und so den russischen Rückzug auf leichter zu verteidigende Linien zu erzwingen. Die ukrainischen Offensiven hätten, fährt Roberts fort, den Westen davon überzeugt, dass Russland besiegt werden kann. Die britische Presse verkündete bereits, dass die ukrainische Armee bis Weihnachten auf der Krim sein würde.

Was Russland eigentlich brauchte, war ein schneller Sieg, um der unmissverständlich klar zu machen, dass Russland durchsetzbare rote Linien hatte. Roberts ist sicher: Eine Demonstration russischer Militärgewalt hätte alle Provokationen gestoppt:

"Der dekadente Westen hätte (in einem solchen Fall) gelernt, dass er den Bären in Ruhe lassen muss. Stattdessen verschwendete der Kreml, der den Westen falsch einschätzte, acht Jahre mit dem Minsker Abkommen, das die frühere deutsche Bundeskanzlerin Merkel als Täuschungsmanöver bezeichnete, das Russland vom Handeln abzuhalten bezweckte. (...) Putin stimmt mir jetzt zu, dass es sein Fehler war, nicht im Donbass zu intervenieren, bevor die USA eine (effektive) ukrainische Armee aufstellten."

Putin habe, fasst Roberts zusammen, den Westen falsch verstanden. Er glaube immer noch, der Westen habe in seiner "Führung" vernünftige Leute, mit denen er verhandeln kann. Putin, rät der Reagen-Berater, "sollte mal die Wolfowitz-Doktrin lesen". Wache Putin nicht bald auf, stehe das Armageddon vor der Tür, es sei denn, Russland ergibt sich.

Bei Annäherung an einen Krieg sei Vorsicht geboten und richtig, fährt Roberts mit seiner Kritik fort. Wenn der Krieg aber begonnen hat, muss er schnell gewonnen werden, entschlossenes und schnelles Handeln habe dann Priorität. Putins Vorsicht verzögerte die russische Rettung des Donbass um acht Jahre, in denen Washington die ukrainische Armee aufbaute, schulte und ausrüstete. Dadurch verwandelte sich das, was 2014 "wie im Falle der Krim eine einfache Rettung gewesen wäre", in den aktuellen Krieg, der bereits fast ein Jahr dauert. Putins Zurückhaltung bei der Kriegsführung habe Washington und den westlichen Medien "reichlich Zeit gegeben, ein für Putin ungünstiges Narrativ zu schaffen und zu kontrollieren und den Krieg unter direkter Beteiligung der USA und der NATO auszuweiten". Der Krieg hat sich zu direkten Angriffen auf Russland selbst ausgeweitet.

Infolge des zögerlichen und zurückhaltenden Vorgehens verliere Russland auch seine potentiellen Verbündeten, so Robert: 

"China und Indien, die beiden bevölkerungsreichsten Länder, haben Washingtons wahllose Gewaltanwendung miterlebt, ohne dass dies innenpolitische oder internationale Konsequenzen für Washington gehabt hätte. Sie wollen sich nicht mit einem schwachbrüstigen Russland verbünden."

Putin brauche keine Raketen auf Polen, Deutschland, das Vereinigte Königreich oder die USA zu schicken. Alles, was Putin tun müsse, sei, die ukrainische Infrastruktur lahmzulegen, damit die Ukraine trotz westlicher Hilfe den Krieg nicht fortsetzen kann. Putin fange zwar an, dies zu tun, gehe aber dabei nach wie vor viel zu vorsichtig und umsichtig vor. Ob Russland jetzt noch einen Sieg erzielen könne, wisse er nicht, sagt Roberts: 

"Wir wissen nicht, ob es einen russischen Sieg geben wird. Die vorsichtige Art und Weise, in der Putin argumentiert und handelt, wird Russland wahrscheinlich einen Sieg verwehren. Stattdessen könnte es eine ausgehandelte entmilitarisierte Zone geben, und der Konflikt wird (jahrzehntelang) auf kleiner Flamme köcheln, so wie der ungelöste Konflikt in Korea."

Der 1939 geborene Paul Craig Roberts gilt als einer der renommiertesten amerikanischen Strategen des Kalten Krieges. Er hat an der Ausarbeitung der Strategie der USA auf vielfache Weise mitgewirkt: Als Redakteur des Wall Street Journal, als Inhaber eines Stiftungslehrstuhls im Center for Strategic and International Studies an der Georgetown University war, wo er unter anderem mit Henry Kissinger, Zbigniew Brzezinski und James Schlesinger, Verteidigungsminister und CIA-Direktor, zusammenarbeitete. Roberts war langjähriges Mitglied des Cold War Committee und Mitglied eines geheimen Beratergremiums, zu dessen Befugnissen gehörte, den Widerstand der CIA gegen den Plan von Präsident Reagan zur Beendigung des Kalten Krieges zu untersuchen. Heute sagt er: 

"Ich war am Kalten Krieg des 20. Jahrhunderts beteiligt. Ich habe Präsident Reagan geholfen, ihn zu beenden. Die Situation war noch nie so gefährlich wie jetzt."

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