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"Der Magier im Kreml": In Frankreich sorgt ein Buch über Putin für Angst um die nationale Politik

Zu sympathisches Putin-Bild? Die angelsächsischen Medien beschuldigen die Franzosen, Russland gegenüber zu wohlwollend zu sein. Grund ist der Roman "Der Magier im Kreml", der nach dem Beginn des Ukraine-Krieges erschien und enorme Popularität erlangte.
"Der Magier im Kreml": In Frankreich sorgt ein Buch über Putin für Angst um die nationale PolitikQuelle: Sputnik © Mikhail Klimentyev

"Es ist ein bisschen wie Russia Today für Saint-Germain-des-Prés", sagt Cécile Vaissié, eine auf Russland spezialisierte Politikwissenschaftlerin an der Universität Rennes, in einem Gespräch mit der US-Zeitung The New York Times über das Buch. Sie fügt hinzu: "Wenn ich den Erfolg sehe, macht mir das Sorgen."

Denn in dem inzwischen sehr erfolgreichen Buch von Giuliano Da Empoli "Der Magier im Kreml" ist die Figur Wladimir Putin nicht so dämonisch, wie sie jetzt von der westlichen Propaganda gerne dargestellt wird. Und obwohl der Autor über sein Buch sagt, dass "die Herausforderung darin besteht, die Sichtweise des Teufels einzunehmen", dürfte der Teufel doch nicht so teuflisch sein – deshalb fürchten nun antirussisch gestimmte Journalisten und verschiedene "Russlandexperten" in Frankreich und generell in Europa: Der Roman könnte nicht nur die öffentliche Meinung zu Russland beeinflussen, sondern auch die französische Außenpolitik. So hieß es etwa in der New York Times:

"Der ehemalige Außenminister Védrine, der Macron gelegentlich in Bezug auf Russland berät, räumte ein, dass der französische Präsident nach der Lektüre des Buches keine aggressive Haltung gegenüber Russland einnehmen werde. Er fügte hinzu, dass er mittelfristig einen Nutzen in der Popularität des Buches sieht: Er plädiert dafür, Putin die Hand zu reichen, 'wenn es akzeptabel ist'."

Als Gamechanger erfüllt der Roman alle Voraussetzungen: Er wurde im April 2022, also bereits nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine, veröffentlicht, und zwar nicht von einem kleinen Verlag, sondern von dem angesehenen Riesen Gallimard, woraufhin das Buch sofort einen unglaublichen Erfolg verbuchen konnte – bis heute wurde in Frankreich bereits eine halbe Million Exemplare verkauft.

Der Roman ist kürzlich auch in Italien in großer Auflage erschienen, und die Übersetzungsrechte wurden in 30 Ländern erworben. Eine englische Übersetzung ist ebenfalls geplant – ins Russische oder Ukrainische ist das Buch laut Medienberichten aber noch nicht übersetzt worden.

Seit seinem Erscheinen wurde der Roman mit fast allen wichtigen französischen Literaturpreisen ausgezeichnet – dem Grand Prix du Roman und dem Honoré Balzac-Preis – und hätte beinahe den Prix Goncourt gewonnen, verfehlte dies aber um eine einzige Stimme.

Gallimard selbst beschreibt den "Magier im Kreml" als "den großen Roman über das zeitgenössische Russland" und "Meditation über die Macht". Auf der Webseite des Verlags heißt es über das Buch:

"Man nannte ihn den 'Magier im Kreml'. Der rätselhafte Wadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin, genannt der Zar, wurde. Nachdem er als politischer Berater zurückgetreten war, wurden immer mehr Legenden über ihn verbreitet, ohne dass jemand in der Lage war, die Wahrheit von der Lüge zu trennen. Bis er eines Nachts dem Erzähler dieses Buches seine Geschichte anvertraute ...

Diese Geschichte führt uns ins Herz der russischen Macht, wo Kurtisanen und Oligarchen einen ständigen Krieg führen. Und wo Wadim, der zum wichtigsten Spin Doctor des Regimes geworden ist, ein ganzes Land in ein politisches Theater verwandelt, in dem es keine andere Realität gibt als die Erfüllung der Wünsche des Zaren."

Als Vorbild für Wadim Baranow diente dem Autor der langjährige politische Weggefährte des russischen Präsidenten, Wladislaw Surkow, der in den westlichen Presseberichten über das Buch bereitwillig als "der russische Machiavelli" bezeichnet wird – und Da Empoli macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für ihn und für Russland. The New York Times merkt an, dass das Buch "ein weitgehend sympathisches Bild von Herrn Putin" vermittele, das "die Politik eines Landes beeinflussen könnte, das bereits als zu nachsichtig gegenüber dem russischen Staatschef gescholten wird". Die Zeitung ist offenbar über die Popularität des Romans besorgt und betont:

"Im besten Fall spiegelt die Popularität des Buches das wider, was Gérard Araud, der ehemalige französische Botschafter in den Vereinigten Staaten, als 'eine Art französische Faszination für Russland' bezeichnete, die durch die gemeinsame Geschichte von Revolution, Imperium und kulturellen Meisterwerken genährt wird. Schlimmstenfalls, so Kritiker, signalisiert es eine nachsichtige Haltung gegenüber Putin, die in Frankreich Bestand hat und die Haltung des Landes zum Krieg prägen könnte, wie sie sich in den Aufrufen von Präsident Emmanuel Macron widerspiegelt, Russland nicht zu demütigen."

"Der Magier im Kreml" sei größtenteils nachsichtig mit Putin, zeigt sich die US-Zeitung traurig, und stelle ihn "als Kämpfer gegen die Oligarchen zum Wohle des Volkes dar, der Russland angesichts der Verachtung des Westens wieder auf die Beine bringt".

Es gibt "zwei Dinge, die die Russen vom Staat verlangen: Innere Ordnung und äußere Macht", sagt der fiktive Wladimir Putin im "Magier im Kreml". Russophob gesinnte westliche Journalisten versuchen bei den Buchbesprechungen, alles, was mit der Macht in Russland zu tun hat, als Zeichen der Diktatur darzustellen, und beschreiben den Roman, der das Phänomen der Macht akribisch und meisterhaft erforscht, ausschließlich als einen Bericht über die Hintergründe des Kremls. Obwohl alles, was der russischen Macht in den russophoben Rezensionen vorgeworfen wird, heute sowohl in der europäischen als auch in der US-amerikanischen Politszene reichlich vorhanden ist. Darüber spricht Da Empoli selbst in einem Interview mit der Tageszeitung Le Soleil:

"Ich gehe von der Überzeugung aus, dass sich die Triebe von Machthabern überall auf der Welt ziemlich ähneln. Was sich ändert, sind die Grenzen. Und da es in Russland nur wenige Grenzen gibt, wollte ich diese Realität erzählen. Denn ich wollte einen Roman über Macht schreiben."

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