Meinung

Was sind Menschenrechte gegen Öl – Boris Johnsons Scheitern in Saudi-Arabien

Trotz der Hinrichtung von 81 Menschen an einem Tag in Saudi-Arabien ließ der britische Premierminister Johnson sich von seiner Ölmission in Saudi-Arabien nicht abbringen. Der britische Premier wollte eigentlich Kronprinz bin Salman dazu bringen, die Ölproduktion hochzufahren. Johnsons Besuch in Riad verlief aber nicht nach Plan.
Was sind Menschenrechte gegen Öl – Boris Johnsons Scheitern in Saudi-Arabien© Bandar Al-Jaloud

von Seyed Alireza Mousavi

Weder die grausame Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 noch die brutale Rolle Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg oder die jüngste Massenhinrichtung in Saudi-Arabien brachten den britischen Premierminister von seiner geplanten Reise zum größten Erdölexport-Exporteur der Welt inmitten des Ukraine-Krieges ab.

Der britische Premierminister Boris Johnson besuchte am Mittwoch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, um auf eine erhöhte Ölförderung aus den Golfstaaten zu drängen und die Abhängigkeit von russischer Energie im Zuge des Ukraine-Krieges zu verringern. Der Besuch in den Golfstaaten nährt die Sorgen über die britische Energiesituation. Vor Kurzem kündigte London an, Ende des Jahres ganz auf russische Lieferungen zu verzichten. Johnson forderte im Vorfeld seines Treffens in Riad den Westen auf, die "Sucht" nach russischer Energie einzustellen. Es sei möglich, auf russische Brennstoffe zu verzichten und zugleich am Ziel einer CO₂-neutralen Wirtschaft bis 2050 festzuhalten.

Johnsons Reise nach Saudi-Arabien erfolgte allerdings zu einem Zeitpunkt, nachdem Saudi-Arabien 81 Todesurteile an einem Tag vollstreckt hatte. Es war die größte Massenhinrichtung seit Langem. Der saudische Blogger Raif Badawi wurde kürzlich nach zehn Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Mit Blogbeiträgen soll er angeblich den Islam beleidigt haben. Badawi hatte seinerzeit die strenge saudische Auslegung des Islams – den Wahhabismus – kritisiert. Kritik am Wahhabismus in Saudi-Arabien stößt bei der westlichen Elite auf taube Ohren, da das Königreich zu den wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten zählt.

Dass Johnson ausgerechnet zu einem Zeitpunkt nach Saudi-Arabien reiste, nachdem die Saudis eine Massenhinrichtung vollstreckt hatten, machte wieder deutlich, dass der Westen Menschenrechtskeule nur als ein Mittel zur Durchsetzung seiner Agenda auf der Welt nutzt. 

Saudi-Arabien ist einer der größten Öllieferanten der Welt. Die westlichen Staaten, die ihre Leitungen zu Russland kappen, müssen neue Quellen erschließen, um rasant steigende Ölpreise einzudämmen. Der britische Premier Johnson wollte eigentlich in Riad Kronprinz Mohammad bin Salman dazu bewegen, die Ölproduktion hochzufahren und sogar einen neuen Deal präsentieren. Er soll einen guten Draht zum saudischen Kronprinzen haben. Dies im scharfen Kontrast zum frostigen Verhältnis, das US-Präsident Joe Biden zum saudischen Kronprinzen aufgrund der grausamen Ermordung von Khashoggi pflegt.

Der britische Premierminister beendete seine Reise nach Riad und Abu Dhabi aber mit leeren Händen. Umso kläglicher wirkte das, als Johnson nach seinem Gespräch mit bin Salman kein Ergebnis vorweisen konnte. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate verfügen eigentlich über freie Kapazitäten, um mehr Öl zu pumpen, aber sie waren bislang nicht bereit, den Kurs von einem mit Russland geschmiedeten Abkommen zu ändern. Die Saudis hatten auch zuvor laut WSJ-Informationen einen Appell des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der Ende Februar mit Prinz Mohammed sprach, abgelehnt, mehr Öl zu pumpen.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben sich letzte Woche geweigert, mit US-Präsident Biden zu telefonieren, und sprachen stattdessen mit Präsidenten Putin. Die Vereinigten Arabischen Emirate seien sehr daran interessiert, mit Russland bei der Verbesserung der globalen Energiesicherheit zusammenzuarbeiten, sagte auch der Außenminister der VAE, Scheich Abdullah bin Zayed Al Nahyan, am Donnerstag in Moskau. Die VAE als ein enger US-Verbündeter enthielten sich vor Kurzem der Stimme bei einer UNSC-Resolution zur Verurteilung des Ukraine-Krieges.

Saudi-Arabien hat zurzeit andere Prioritäten, nämlich die Abwehr Irans in der Region. Die Wiener Gespräche zur Wiederbelebung des Atomdeals mit Iran stehen kurz vor dem Durchbruch. Die US-Amerikaner kooperieren auf einmal mit den Iranern konstruktiver als sonst, da sie die nach den harten Sanktionen gegen Russland steigenden Ölpreise stabilisieren wollen. Mit einer möglichen Aufhebung der Sanktionen gegen Iran könnte Teheran seinen Einfluss in der Region drastisch ausbauen, während der Westen mit dem Ukraine-Krieg abgelenkt ist. 

Die Saudis haben signalisiert, dass sich ihre Beziehung zu Washington unter der Biden-Regierung verschlechtert hat, und sie wollen mehr Unterstützung für ihre Intervention im Jemen-Konflikt und Hilfe bei ihrem eigenen "zivilen Atomprogramm". Präsident Biden hat bereits einige militärische Fähigkeiten und Streitkräfte aus der Golfregion, einschließlich Saudi-Arabien, abgezogen, um damit sich USA mehr auf China zu fokussieren. Biden hatte zudem den Verkauf von "Offensivwaffen" an Riad eingefroren, während die Golfstaaten Saudi-Arabien und VAE mit zunehmenden Drohnen- und Raketenangriffen der mit Iran verbündeten Huthi-Bewegung im Jemen konfrontiert sind.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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