Meinung

Auf den Gipfel des Wahnsinns: Die Energiespiele gehen in die nächste Runde

Die Bundesregierung spielt gerne mit der deutschen Energiesicherheit, und die EU will jetzt auch noch russische Steinkohle verbannen. Wer meint, mit dem Aus für Nord Stream 2 sei der Gipfel des Wahns erreicht, wird sich wundern. Wir gehen in die nächste Runde.
Auf den Gipfel des Wahnsinns: Die Energiespiele gehen in die nächste RundeQuelle: www.globallookpress.com © Patrick Pleul/dpa

von Dagmar Henn

Die Bundesregierung und die EU verhalten sich so, als liefe gerade ein Wettbewerb um den größten anstellbaren Unfug, den sie unbedingt gewinnen wollten. Der neueste Streich: jetzt auch noch auf aus Russland importierte Steinkohle zu verzichten.

Augenblicklich kommt die Hälfte der in Deutschland verfeuerten Steinkohle aus Russland. Das sind 14,5 Millionen Tonnen jährlich, wovon die Hälfte zur Stromerzeugung, die andere Hälfte für die Stahlproduktion genutzt wird. Nach einem Bericht des Wirtschaftsministeriums, den Business Insider zitiert, soll dieser Anteil in den nächsten Wochen "durch Vertragsumstellungen" auf 25 Prozent sinken. Aber selbst ein Viertel ist noch lange nicht null.

Weshalb der besagte Bericht auch davon ausgeht, dass spätestens nach den vier bis sechs Wochen, für die die vorhandenen Vorräte reichen sollen, die Folgen spürbar würden: "Nach einem Verbrauch der Vorräte wären voraussichtlich einzelne Kraftwerke abzuschalten", heißt es.

Aus den wenigen Zitaten, die aus diesem Bericht veröffentlicht wurden, ist allerdings nicht zu ersehen, ob sie dabei auch die Möglichkeiten miteinbezogen haben, dass nicht nur Kohlelieferungen entfallen, sondern womöglich auch jene von Erdgas. Schließlich ist noch lange nicht klar, ob die Bundesregierung sich aufraffen kann, für Lieferungen in Rubel zu bezahlen.

Durch die Ablösung der deutschen Niederlassung von Gazprom vom Mutterkonzern und dessen Quasi-Enteignung durch Bundeswirtschaftsminister Habeck könnte eine Situation entstehen, die dieses Problem noch verschärfen kann – die Lieferverträge bestehen mit ebendieser Tochter, die dann zwar unter Kontrolle der Bundesnetzagentur steht, aber leider, leider keinerlei Verfügungsgewalt über russische Gasvorkommen hat. Mit dem Mutterkonzern selbst gibt es allerdings keine Verträge; die müssten dann zu neuen Preisen neu abgeschlossen werden. Definitiv noch ein Punkt im GAU-Wettbewerb.

Nun beruht die Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz seit der Abschaltung der meisten Kernkraftwerke auf zwei Säulen, Kohle- und Gaskraftwerken, die dafür sorgen müssen, dass durch die unvermeidlichen Schwankungen der geliebten erneuerbaren Energie nachts oder bei Windstille nicht das Licht ausgeht. Die selbstgemachten Risiken bei der Gasversorgung, die letztlich nur darauf beruhen, dass man nicht willens war, der Schlächterei im Donbass Einhalt zu gebieten und dann meinte, Russland dafür strafen zu müssen, wenn es das tut, werden nun also noch durch zusätzliche Risiken bei der Kohleversorgung ergänzt.

Leider ist auch Kohle ein umworbenes Gut, und Hauptabnehmer wie -produzent ist ausgerechnet China. In der EU wird kaum noch Steinkohle gefördert; und die größten Kohleförderer nach China liegen auch nicht um die Ecke – sie heißen Indonesien, Indien, Australien und die USA. Dabei könnte ein Versuch, Ersatz für russische Kohle zu finden, bei einigen Kandidaten auf dieser Liste auf geopolitische Schwierigkeiten stoßen.

Abgesehen davon, dass China und Indien ihre Kohle weitgehend selbst verbrauchen, könnten sie wenig geneigt sein, den Deutschen aus einer Klemme zu helfen, in die sie sich mit ihrer Politik gegen Russland selbst befördert haben. Selbst bei Indonesien müsste man sich das fragen. Australien würde sich vielleicht freuen, weil China seine Kohle nicht mehr importiert, seit sie mit Schwung auf den antichinesischen Zug aufgesprungen sind; das könnte auch das Problem lösen, dass die Hälfte des deutschen Kohleverbrauchs in die Stahlproduktion geht und dafür bestimmte Kohlequalitäten gebraucht werden, die es nicht überall gibt. Aber es gibt auf der ganzen Welt keinen Lieferanten, der weiter entfernt liegt, was sich beim Preis bemerkbar machen dürfte.

Natürlich kann man Kohle auch in den USA kaufen statt in Russland. Dabei müsste eigentlich allen, die so groß tönen, eine Abhängigkeit von russischen Energielieferungen sei ein Sicherheitsrisiko, klar sein, dass eine Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten dann den Teufel mit Belzebub austreibt. Denn während Russland und zuvor die Sowjetunion eine Geschichte verlässlicher Lieferungen haben, selbst in problematischen Phasen, sind die USA für ihre Neigung zu Erpressungen aller Art bekannt. Da ist es schon im besten Fall begrenzt intelligent, russische Gaslieferungen durch US-amerikanische zu ersetzen; dem noch eine Abhängigkeit bei Kohle hinterherzuschieben, spottet jeder Beschreibung.

Währenddessen fordert die ukrainische Regierung lautstark von den Westeuropäern, ganz auf russische Gaslieferungen zu verzichten. Natürlich erklärt sie mitnichten, selbst das Gleiche tun zu wollen. Dann hätte sie ja kein Gas mehr. Aber wir Westeuropäer sollen gerne frieren, um der ukrainischen Kleptokratie den Pelz zu retten. Was ein bisschen widersprüchlich ist. Schließlich wurde jahrelang intrigiert, aus Kiew wie aus Warschau, um Nord Stream 2 zu Fall zu bringen, und nach wie vor kassiert Kiew jährlich etwa eine Milliarde für die Durchleitung, also sollten sie beide zufrieden sein, nachdem Scholz und Co. die deutsche Energiesicherheit ihrem russophoben Wahn geopfert haben. Angeblich sollen sie zurzeit sogar besonders viel Gas durch die Leitung lassen.

Wobei, die deutsche Politik ist an dem ukrainischen Irrsinn alles andere als unschuldig; sofort nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde eifrigst die Rückkehr der in Bayern aufbewahrten Nazikollaborateure und ihrer Nachkommen in die Ukraine gefördert; Julia Timoschenko mit ihrer BDM-Frisur, die ihren Reichtum durch schlichten Raub aus der Pipeline erwirtschaftete, wurde zur Sympathieträgerin hochgeschrieben, und die Putschregierung 2014 wurde von Steinmeier als Außenminister gestützt, wie jede ukrainische Regierung seitdem. Dass sich jetzt deren Vertreter, Herrn Melnyk eingeschlossen, benehmen, als gehöre ihnen die Welt und nicht das ärmste Land Europas, ist natürlich ein wenig unangemessen für eine innereuropäische Kolonie; aber diese Schlange hat man an der eigenen Brust genährt.

Übrigens hat dieses Reptil gleich zwei Mütter. Oder, so könnte man es auch sagen, eine ausgeprägte Leidenschaft dafür, jede Hand zu beißen, die es füttert. Schließlich wurde die Ukraine auch von Russland jahrzehntelang gepäppelt, durch die Übernahme des Anteils der sowjetischen Schulden und durch besonders günstige Gaslieferungen. Wofür sich die Ukraine mit dem Donbass-Krieg bedankte.

Schon die Existenz von Nord Stream 1 ist ein Produkt dieses ukrainischen Wahns, wobei da handfestere Gründe zu vermuten sind. Als die ukrainische Pipeline in den 90ern saniert werden sollte, hatte die ukrainische Regierung das abgelehnt, mit der Begründung, in dem Konsortium, das die Sanierung finanzieren wollte, sei auch ein russisches Unternehmen. In Wirklichkeit dürfte es daran gelegen haben, dass ausländische Betreiber, russisch oder nicht, dann auch Kontrolle über diese Pipeline ausüben wollen, was es wesentlich schwerer machen dürfte, Gas schlicht zu klauen.

Hätte man den ukrainischen Räuberbaronen rechtzeitig Einhalt geboten, gleich von welcher Seite, wir befänden uns vermutlich selbst bei massivsten US-amerikanischen Anstrengungen nicht in dem Schlamassel, in dem wir heute stecken. Aber die Ukraine ist eine Kolonie und wird von Kompradoren regiert, und unter solchen Bedingungen spült es immer die Korruptesten und die Gewissenlosesten nach oben. Denen das Wohl des eigenen wie das jeden anderen Landes gleich ist, nur der Zustand des eigenen Kontos nicht, weshalb man sie problemlos gleich in zwei Richtungen als Waffe einsetzen kann.

Denn faktisch, das kann man an den Energiespielen sehen, führen die USA einen Krieg gegen zwei Seiten in Europa, gegen Russland und gegen Westeuropa zugleich. Nur, dass die Westeuropäer und insbesondere wir Deutschen das noch nicht begriffen haben und stattdessen den Wettbewerb um den größten anstellbaren Unfug weiter laufen lassen.

Mehr zum Thema - Der kommende Kollaps: Die deutsche Mätresse bei der Grablegung des US-Fürsten

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.