Meinung

"Hahaganda" – oder: NATO-Trolle und der Humor

Es ist ganz bösartig, sich über die Bundesregierung oder deren Institutionen lustig zu machen. Das wird nicht nur immer wieder in der devoten Presse betont, das erklärt die Bundesregierung nun auch selbst. Und man müht sich redlich, damit das Volk nichts zu lachen hat.
"Hahaganda" – oder: NATO-Trolle und der Humor© https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/78/H_Hoffmann_Struwwel_23.jpg

Von Dagmar Henn

Man muss es zugeben: "sprachschöpferisch" sind sie ja. Obwohl der Begriff der "Hahaganda" sprachästhetisch doch einiges zu wünschen übrig lässt. "Ridoganda" wäre wenigstens beim lateinischen Ursprung des Wortes Propaganda geblieben (propagare heißt ausdehnen, erweitern). Nun, das Wort wurde 2017 von der East StratCom Task Force des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) der EU und der NATO erfunden, da darf man wohl keine zu hohe klassische Bildung voraussetzen.

Ende August hat nun auch die Bundesregierung diesen Begriff auf ihrer Webseite aufgegriffen. Und während sich der ursprüngliche Text der EU zumindest noch zu den Sätzen aufrafft: "Natürlich sind Satire, Humor und Parodie alle integrale Elemente des öffentlichen Diskurses. Das Recht, Witze über Politiker zu reißen oder sich über Bürokraten lustig zu machen, ist wichtig für die Vitalität jeder Demokratie", ist die Zusammenfassung der Bundesregierung völlig humorfrei.

"Das Konzept der Hahaganda ist laut Taskforce eines der trügerischsten Instrumente der Desinformation. Dieses Narrativ basiert auf der Verhöhnung von Institutionen und Politikerinnen und Politikern, indem man sich über zugehörige Themen oder Personen lustig macht beziehungsweise diese ins Lächerliche zieht. Ziel ist es, die Glaubwürdigkeit und den Ruf der Institution und Person zu untergraben. Russische und kremlfreundliche Desinformationskanäle bezeichnen antiwestliche Äußerungen als Satire oder Ironie und wollen sie so unangreifbar machen."

Tatsächlich ist es eine demokratische Errungenschaft, sich über die Regierenden lustig machen zu dürfen. Davor gab es Herrscher von Gottes Gnaden – und diese infrage zu stellen galt als schlimmstes Vergehen gleich nach der Gotteslästerung. Gerade die deutsche Geschichte ist reich an Literaten, die ihren Spott mindestens mit Exil bezahlten.

"Antiwestliche Äußerungen" werden, gemäß Lesart der Bundesregierung, nur als Satire oder Ironie bezeichnet, sind aber nach ihrer Ansicht in Wirklichkeit gar keine. Zugegeben, die öffentlich-rechtlichen Anstalten mühen sich längst, sogar regierungskonforme "Satire" zu erschaffen. Die ist nur leider gar nicht mehr witzig.

Wer sich über Politiker und Institutionen lustig macht, steht aber sogleich im Verdacht der "Kremltreue". Allerdings fehlen noch die Details, wie die gebotene Andacht dann erfolgen soll. Genügt ein Hausaltar mit einem Bild der Bundesregierung und einem dreimal gemurmelten "Ave Klimaschutz", oder ist dann doch eher die tägliche Vereidigung auf ukrainische Flaggen vorgesehen?

Die Sicht der Bundesregierung ist absolut erbarmungslos. Schließlich ist die einzige Art, wie ein vernunftbegabtes menschliches Wesen das Agieren erstaunlich hochpostierter Persönlichkeiten –  beispielsweise von Baerbock und Habeck – ertragen kann, wenigstens über sie spotten zu dürfen. Deutsche Politiker haben ohnehin keinerlei Gespür mehr dafür, wie Waschlappenempfehlungen und Duschhinweise bei anderen Völkern ankommen. Da genügt es in der Regel, schlicht die Originalzitate wiederzugeben, um schallendes Gelächter für eine ganze Nation zu ernten.

Wir Deutschen haben sowieso den Ruf, uns von unseren Regierungen weit mehr gefallen zu lassen, als in Europa ansonsten die Norm ist. Und der einzige wirkliche Vorwurf, den man dem Gespött machen könnte, ist, dass es eine unerträgliche Lage noch etwas erträglicher gestaltet. Unter diesem Gesichtspunkt müsste die Bundesregierung geradezu begrüßen, verspottet zu werden, weil ihr das die Mistgabeln vom Hals hält.

Wobei der wirklich bizarre Umstand in der realen Welt liegt. Denn das Narrativ, das hinter all den kreativen Ausgeburten wie "Hahaganda" steckt, lautet, Putin persönlich wolle den Westen zerstören. (Brecht würde fragen: Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei?)

Ganz ehrlich, nichts ist bei diesem unterstellten Ansinnen so wirkungsvoll wie das Handeln der Bundesregierung selbst samt ihrer Verbündeten im letzten halben Jahr. Wäre das wirklich die russische Absicht, hier auf RT würden tagtäglich Lobeshymnen auf die Bundesregierung geschrieben, Habeck zum Engel der Energiewende erklärt und ununterbrochen versichert, dass alles, alles gut wird, wenn man nur lange genug durchhält, weil diese höchst kompetente Bundesregierung die Probleme voll im Griff hat.

Aber vielleicht täusche ich mich auch, und meine Tätigkeit und die meiner Kollegen ist nur ein Ablenkungsmanöver, während Scholz, Baerbock und Habeck zusammen mit den anderen Kreml-Agenten im Weißen Haus die Ökonomie und den Ruf des Westens so gründlich zerstören, dass hinterher kein Gras mehr wächst? Weil der ganze hilflose Spott, den wir über Baerbock & Co. ergießen, nur ein Beitrag zu dem ist, was man in Geheimdienstkreisen "plausible deniability", glaubwürdige Abstreitbarkeit nennt?

Übrigens erklärt die Bundesregierung auch den "drohenden Kollaps" zum Narrativ der russischen Propaganda. Das liefert natürlich ein weiteres Argument für die Hypothese, dass die wahren russischen Agenten im Kanzleramt sitzen; denn was ist das Warnen vor einem Kollaps gegen die tatkräftige Inszenierung desselben? Wenn irgendwann demnächst Klopapier nur noch auf Bezugsscheine verkauft wird, wer erzeugte dann das "Narrativ"? Derjenige, der darüber berichtet oder gar gespottet hatte, oder derjenige, der diese Lage herbeigeführt hat?

Und dann das Ding mit den warmen Unterhosen: Wenn es eine Lektion gibt, die die NATO-Staaten aus dem Schicksal des letzten Angriffs gen Russland gelernt haben sollten, dann, dass man sich dafür besser rechtzeitig um warme Unterhosen kümmern müsste. Aber wenn man weder auf Bismarck noch auf Montgomery ("Die erste Seite im Buch des Krieges: marschiere nie gegen Moskau") hören will, dann ...

Vielleicht ist ja auch Klaus Schwab in Wahrheit ein Agent Putins und hat über viele Jahre hinweg eine Truppe von absolut unterbelichteten Egozentrikern handverlesen, die nun wie in einem von der CIA inszenierten Putsch an die Spitze gehievt werden, um endlich den glorreichen westlichen Demokratien den Todesstoß zu versetzen.

Auf was für schräge Gedanken einen diese regierungsamtlichen Machwerke so bringen können. Diese Mischung aus Paranoia und Überheblichkeit schadet wirklich den Synapsen. Aber es wäre manchmal schon nett, einen Blick in die Geschichtsbücher der Zukunft werfen zu können, um zu sehen, wie dort die Tatsache dargestellt wird, dass die vermeintlichen Vertreter des Westens – die in Wirklichkeit nur seine Dominanz verfechten, nicht seine kulturellen Errungenschaften oder gar die Zukunft seiner Bevölkerung – alles tun, um dessen Länder zugrunde zu richten, während die vermeintlichen Feinde, die Putin-Trolle, die Kremlagenten, sich bemühen, ihn zu retten.

Die Blutbäder und das Elend, das die Vertreter der kolonialen Mächte rund um den Globus angerichtet haben, waren nie zum Lachen. Aber das Personal, das sie auf die Bühne schicken, während sie von dieser Bühne gerade abtreten, das ist so lächerlich, dass man Maos alten Spruch vom Papiertiger kaum mehr aus dem Sinn bekommt. Wenn sie dann mit dem Fuß auf den Boden stampfen und das Lachen zur Subversion erklären, möchte man sie gerne zurück in den Kindersitz des Einkaufswagens stopfen und der Kassiererin mit einem entschuldigenden Blick erklären, dass heute einfach ein schlechter Tag ist.

Nein, sie bekommen den Lolli nicht. Die NATO hat den Krieg verloren, und die Länder des Südens befreien sich. Dumm nur, dass unsere Regierungen die Bevölkerung der Länder des Westens als ihr Spielzeug ansehen und jetzt darauf herumtrampeln, wie manch trotziger Dreijähriger. Mit oder ohne Spott, da sollte man ihnen die nicht als Spielzeug überlassen.

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