Meinung

Die EU muss ihr Haus in Ordnung bringen, bevor sie sich in Venezuela einmischt

Diejenigen, die im Ausland Chaos verbreiten wollten, müssen nun zusehen, wie sich das Chaos in ihrem eigenen Hinterhof ausbreitet. Doch während Randale französische Städte verwüsten, hält Brüssel dem Ausland weiter belehrende Vorträge.
Die EU muss ihr Haus in Ordnung bringen, bevor sie sich in Venezuela einmischtQuelle: AFP © Yuri Cortez / AFP

Von Oliver Vargas

Egal, ob es sich um Randale handelt, die in den Straßen Frankreichs wüten, oder um die rasante Inflation, die sich auf dem gesamten europäischen Kontinent breit macht: Man könnte meinen, dass die zahlreichen internen Krisen, die derzeit die Europäische Union verschlingen, mehr als ausreichend wären, um die volle Aufmerksamkeit der Bürokraten in Brüssel zu beanspruchen. Man kann sich natürlich auch irren.

Es scheint, dass die neokolonialen Bestrebungen Westeuropas im Ausland selbst dann nicht ruhen, wenn im eigenen Land Ziegelsteine durch die Fenster fliegen. Anfang vergangener Woche veröffentlichte die EU eine formelle Verurteilung des venezolanischen Rechnungshofs und seiner Entscheidung, einen vom Westen bevorzugten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 zu disqualifizieren. Anstatt über Verwaltungsentscheidungen im fernen Lateinamerika zu dozieren, wäre es vielleicht an der Zeit, dass Brüssel sein eigenes Haus in Ordnung bringt.

Die EU äußerte ihre "tiefe Besorgnis über die Entscheidungen, die darauf abzielen, Oppositionelle daran zu hindern, ihre grundlegenden politischen Rechte auszuüben, wie es im Fall von María Corina Machado der Fall war", und fügte hinzu, dass die Entscheidung die langjährige politische und soziale Krise in Venezuela nur noch verschlimmern werde".

Als Reaktion darauf gab Präsident Nicolás Maduro der EU keinen Rat, wie sie ihre eigene Krise auf den Straßen Frankreichs lösen könne, sondern wandte sich an die Adresse Brüssels: "Sie wollen mithilfe der sozialen Medien das tödliche Gift des Faschismus, des Hasses und der Konfrontation verströmen, sie wenden Millionen Euro auf, um Hass zu säen, um zu versuchen, sich unser Land zu krallen und es dem US-Imperium und den europäischen Rassisten und Kolonialisten auszuliefern."

Die Entscheidung, María Corina Machado von der Kandidatur für ein öffentliches Amt auszuschließen, wurde nicht vergangene Woche, sondern bereits im Jahr 2015 getroffen. Die Entscheidung wurde vergangene Woche lediglich ratifiziert, nachdem ein Mitglied der Opposition versucht hatte, die Situation mit dem Büro des Rechnungsprüfers zu klären. Corina Machado wurde nicht aus politischen Gründen disqualifiziert, wie die EU fälschlicherweise andeutet. Sie wurde disqualifiziert, weil sie es versäumt hatte, ihre Einkommensquellen offenzulegen – eine gesetzliche Verpflichtung für alle, die ein öffentliches Amt anstreben.

Eine Verwaltungsentscheidung in Caracas sollte weder in Brüssel noch in Washington für Aufregung sorgen, aber ein kurzer Blick auf die Vergangenheit von Corina Machado zeigt, warum der Westen so sehr daran interessiert ist, ihre Kandidatur in Venezuela zu unterstützen. Sie betrat die politische Bühne erstmals im Jahr 2005, als George W. Bush sie ins Oval Office einlud und ihr damit Washingtons Gütesiegel anheftete, um die Opposition gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez anzuführen. Anschließend wurde sie zu einer Verfechterin des Boykotts nationaler Wahlen, eine Haltung, die sie erst kürzlich aufgegeben hat, nachdem sie damit offensichtlich gescheitert war. Während des Putschversuchs von 2019 war sie die führende Stimme, die eine ausländische Militärintervention gegen ihr eigenes Land forderte, um Präsident Maduro zu stürzen. Ihre Nähe zu westlichen Regierungen und ihre offensichtliche Missachtung der Souveränität Venezuelas machen sie zu einer perfekten Kandidatin – für den Westen.

Überhaupt hat die EU eine lange Geschichte der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas vorzuweisen. Im Jahr 2019 verkündete der nicht gewählte Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, die formelle Anerkennung des ebenfalls nicht gewählten Juan Guaidó durch die EU, der sich auf der Straße selbst zum Präsidenten erklärt hatte und sowohl von Washington als auch von Brüssel dafür offiziell Unterstützung erhielt – einer der hirnrissigsten Versuche eines Putsches in Lateinamerika. Heute führt Guaidó ein Leben in Anonymität in Miami, nachdem auch seine westlichen Unterstützer endlich die Absurdität seiner Rolle als Operetten-Präsident erkannt haben.

Die Probleme im eigenen Hause

Während die EU damit beschäftigt ist, sich in die inneren Angelegenheiten Venezuelas einzumischen, scheinen ihre eigenen inneren Angelegenheiten außer Kontrolle zu geraten. Nach der Tötung des französischen Teenagers Nahel Merzouk Ende Juni ist fast jede größere Stadt des Landes von zügelloser Gewalt heimgesucht worden. Die Randalierer, darunter viele Kinder und Jugendliche, haben sowohl auf öffentlichem als auch auf privatem Eigentum Schäden im Wert von über einer Milliarde Euro angerichtet. Videos der Zerstörung lassen die Straßen von Paris und Lyon wie eine reale Version jener gewalttätigen Videospiele aussehen, die bei Jugendlichen im Westen so beliebt sind.

Während die Regierung von Macron versucht, die Situation in den Griff zu bekommen, muss man unweigerlich daran denken, was die Regierungen der USA und der EU über die gewalttätigen Unruhen in Venezuela jeweils gesagt haben, als aus dem Ausland bezahlte Brandstifter als Freiheitskämpfer bejubelt wurden, weil sie die Gebäude einer Regierung niederbrannten, die außerhalb des Einflussbereichs von Washington und Brüssel steht. Das rächt sich jetzt im eigenen Haus.

Wenn heute die Geschäfte von Caracas oder Havanna brennen würden, so würde man das im Westen als einen Sieg für die Demokratie feiern; ganz davon zu schweigen, wenn Moskau brennen sollte – Macron und seine Bande würden tagelang Freudentänze aufführen. Vielleicht hofften die westlichen Politiker, dass der Rückzug von McDonalds, Coca-Cola und anderen westlichen Marken aus Russland, die jungen Menschen dort dazu anregen würde, dieselbe Zerstörungsorgie loszutreten, wie wir sie in Frankreich erlebt haben.

Doch stehen wir nun an einem Punkt, an dem sich das Chaos in ihrem eigenen Hinterhof ausbreitet. Vielleicht breitet es sich auch deshalb in ihrem Hinterhof aus, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, im Ausland Chaos zu verbreiten.

Übersetzt aus dem Englischen.

Oliver Vargas ist ein in Lateinamerika ansässiger Journalist, Mitbegründer von Kawsachun News und Moderator des Podcasts Latin America Review.

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